KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

NOEMI MOLITOR

Man muss manchmal die Stadt verlassen, um interessante Kunst zu entdecken. In Gottsdorf steht etwa das Haus der Kultur der Welt, ein ehemaliges Bushäuschen, in dem es zurzeit um das Thema Warten geht. Der Ausstellungsraum wird von einem Verein betrieben und ist ständig begehbar. Zwischen zwei Ausstellungen ist jede Wand vollgeschrieben mit Kommentaren zum Warten als Zustand der Antizipation und der Agonie. Absurde Dialoge über Langeweile aus „Warten auf Godot“, Anspielungen auf das Warten an der Haltestelle, die Warteschleife am Telefon, auf in die Wand geritzte Striche zum Zeitzählen in der Gefangenschaft. Mein persönlicher Favorit: „Der Teufel hat das Suchen erfunden und seine Großmutter das Warten“ (Pekenbergweg 2, Gottsdorf, 14947 Nuthe-Urstromtal). 70 Kilometer Luftlinie weiter nördlich haben Studierende des Instituts für Kunst im Kontext der UdK seit Oktober 2013 für das „Kontext Labor Bernau“ nach Wegen gesucht, Kunst im öffentlichen Raum in Zusammenarbeit mit den Bewohner_innen einer Stadt zu generieren, statt „für“ sie. Dafür nahmen sie auch langes Warten in Kauf. Jeden Woche saß Alexis Hymann Wolff im sonst leer stehenden Kantorhaus in der Hoffnung, dass jemand private Gegenstände aus der Vergangenheit spende. Irgendwann kam alles auf einmal: abmonierte Panzerräder, eine silberne Hühnerfutterschüssel, die abgeschnittenen Haare mehrerer Generationen. So entstand eine Ausstellung persönlicher Stadtgeschichten, die auch die Frage nach der Signifikanz von Erinnerungsobjekten aufwirft. Sie aus den privaten Kellern zu hieven, hat sich gelohnt. „Interventionen in den öffentlichen Raum“, die auch noch partizipativ sein sollen, laufen manchmal die Gefahr zu suggerieren, jemand müsse zu seinem Kunstglück gezwungen werden. Hier passiert etwas anderes. Bewohner_innen des weniger privilegierten Teils von Bernau haben gemeinsam mit Jelena Fuzinato persönliche Ideen und Vorliebenkünstlerisch in Szene gesetzt, wie z. B. eine unsortierbares Bibliotheksregal aus Stoff. Die eigenen Wohnräume dienen als Ausstellungsort und können als dezentrales „Museum Bernau Süd“ nach Anmeldung besucht werden. Hinter einem Vorhang der Bretterbox „So spreche ich mich los“, die im Stadtpark als Reflexionsort über Kommunikation steht, wurde schon eifrig getagt: „Haftbefehl“, „Setz dich“, „King“. Im Gottsdorfer Wartehäuschen stand es auch: „Wer lange genug wartet, kann König werden.“ Außerhalb von Berlin hat das Warten also endlich ein Ende (www.kontext-labor-bernau.de; Besichtigung der Künstlerwohnungen am 25. 10., 0176-84 07 44 65).