sichtet die sozialen Bewegungen in der Stadt

JÖRG SUNDERMEIER

Am Donnerstag wird im Neuköllner Projektraum H48 (Hermannstraße 48, 20 Uhr) über den „Antisemitismus in der Sowjetunion“ gesprochen, und das ist ein sehr lohnendes und leider viel zu sehr missachtetes Thema. Während viele Rechte, auch die bürgerliche Rechte noch bis vor Kurzem aus einem antisemitischen Klischee heraus an ein „natürliches“ Bündnis der „jüdischen Intelligenzija“ und der Bolschewisten glaubte, wähnten sich Linke wiederum sicher in der Annahme, dass es keinen Antisemitismus in der Sowjetunion gegeben habe. Denn obschon es tatsächlich eine außerordentlich starke Präsenz jüdischer Kommunist_innen in den Reihen der Räte und der KPdSU vor und nach der dortigen Revolution gegeben hatte, was auch mit dem Antisemitismus in der Zarenzeit erklärt werden kann, wurden im Stalinismus nun staatlicherseits antisemitsche Verschwörungstheorien verbreitet und zahlreiche Verhaftungswellen von Jüdinnen und Juden durchgeführt. Auch in der späten Sowjetunion war die Diskriminierung von jüdischen Sowjetbürger_innen gang und gäbe, diese Menschen galten vielerorts per se als die „Agenten“ des Kapitalismus (oder, da wo die orthodoxe Kirche noch Anklang fand, als gottlose Gesellen).

Am Freitag stellt Tilman Leder in der Bibliothek der Freien (der Anarchistischen Bücherei im Haus der Demokratie, Greifswalder Straße 4, 19 Uhr) sein Buch über Gustav Landauer vor, dessen Strategie er „Die Politik eines ,Antipolitikers‘“ nennt. Der vor 75 Jahren ermordete Anarchist war ein großer Vordenker seiner Bewegung und auch ein großer, aber streitbarer Idealist. Am Samstagabend findet – wie immer ausgehend vom U-Bahnhof Samariterstraße (18 Uhr) – die diesjährige Silvio-Meier-Demo statt, die an den vor über zwanzig Jahren ermordeten Antifaschisten Meier erinnert, der damals von einem Nazi niedergestochen wurde. Doch es geht bei dieser Gedenkdemo auch um all jene, die unter rechter Gewalt litten und leiden und deren Namen weit weniger bekannt sind. Selbstredend sollen auch andere Antifa-Themen bei der Demo berücksichtigt werden, es wird also um Wohnräume, Freiräume und um alles gefochten. Dieses Jahr wird die Demoroute von Friedrichshain aus nach Kreuzberg führen.

Am Montag schließlich wird im Buchladen Schwarze Risse (Gneisenaustraße 2a, 20 Uhr) das Buch „Grenzregime II – Migration / Kontrolle / Wissen / Perspektiven“ vorgestellt. In dem bei Assoziation A erschienenen Buch wird eine poltische Analyse der europäischen und nordamerikanischen Grenzregime vorgenommen, was sicherlich weitaus effektiver ist als einige fragwürdige Kunstprojekte.