hört auf den Sound der Stadt

TIM CASPAR BOEHME

Gewaltig viel Noten, lieber Mozart“ – dieses gern zitierte „Kompliment“ von Kaiser Joseph II. an den Komponisten der „Entführung aus dem Serail“ könnte man locker auf eine ganze Reihe weiterer Musiker übertragen. In einigen Fällen kann man durchaus sagen, dass es ein paar Töne weniger auch getan hätten. Bei anderen gehört die Fülle einfach zur Haltung, wenn man da etwas streichen würde, bliebe von der Musik nicht viel übrig. Beim jungen Briten Rustie etwa ist eine gewisse Opulenz in seiner überkandidelten Bassmusik zum festen Bestandteil seiner musikalischen Identität geworden. Bis auf weiteres jedenfalls. Da rasen dann die Synthesizermelodien wie wildgewordene Lasertrahlen durch seine Stücke, ohne sich groß Ruhepausen zu gönnen. Aber im Gretchen, wo Rustie am Donnerstag sein Konzert gibt, soll ja in der Regel auch getanzt werden (Obentrautstr. 19-21, 21 Uhr, 14,80 €).

Eher wenige Noten geschrieben hat der italienische Komponist Giacinto Scelsi. Nicht nur, weil seine Werke oft um einen Grundton kreisen, der wie ein Mantra wuchtig anwächst. Er soll vielmehr das Notenschreiben selbst als lästig empfunden haben. Stattdessen improvisierte er lieber am Klavier, nahm die Ergebnisse auf Tonband auf und ließ sie anschließend von anderen Komponisten transkribieren. Einen Teil von Scelsis Klavierwerk kann man am Samstag in der Friedenskirche Friedenau in einer „Retrospektive“ hören, darunter Stücke aus seinem frühen Schaffen und einige zu Lebzeiten unveröffentlichte Kompositionen. Vor dem Konzert mit dem Pianisten Alessandro Stella gibt es eine Einführung mit Podiumsdiskussion, die Präsidentin der Isabella Scelsi-Stiftung Rom, Irmela Heimbächer, wird ein Grußwort sprechen (Handjerystr. 52, 18 Uhr, 10/8 €).

Zum Abschluss sei noch ein Hörvergleich anempfohlen: Der US-Amerikaner Jib Kidder präsentiert sich diese Woche an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in zwei recht unterschiedlichen Biotopen. Am Dienstag kann man ihn im Berghain im Programm mit seinem Landsmann Panda Bear erleben (Am Wriezener Bahnhof, 20 Uhr, 21 €), was stimmig ist, da beide eine Schwäche für psychedelische Songcollagen und leicht wehklagenden Gesang haben. Mittwoch begibt sich Jib Kidder dann ins deutlich kleinere NK und in Gesellschaft so abenteuerfreudiger Musiker wie Andrew Pekler, der ebenso wie Kidder ein emsiger Klängesammler ist, oder Lucrecia Dalt, deren Experimentalpop oft an Nachstücke denken lässt. Wer weiß, vielleicht wird sich Jib Kidder in dieser veränderten Umgebung ja ein bisschen auf seine exzentrischen Anfänge mit „Gitarren-Origami-Miniaturen“ besinnen (Elsenstr. 52, 21 Uhr).