KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

JULIA GWENDOLYN SCHNEIDER

Die 2004 verstorbene amerikanische Künstlerin Gretchen Bender (Jahrgang 1951) ist eine Entdeckung. Obwohl sie in ihrer Auseinandersetzung mit TV-Bildern und digitalen Animationen eine Vorreiterin war, wird ihre Pionierrolle erst seit Kurzem gewürdigt. „Total Recall“ (1987) kann jetzt im ehemaligen Prinzessinnenpalais besichtigt werden. In einem entkernten Raum des denkmalgeschützten Gebäudes, das momentan eine Baustelle ist, haben die KuratorInnen des benachbarten Schinkel Pavillons Benders wegweisendes „elektronisches Theater“ rekonstruiert. Vorerst sehe ich nur eine monumentale TV-Wand mit leuchtenden Einschaltknöpfen. Dann geht es los. 24 Monitore beginnen zu pulsieren: Abstrakte Grafiken wechseln mit bunten Medienbildern. Faszination, Horror und Ambivalenz sind mit von der Partie, Industrial-Klänge treiben das Ganze an. Die Visuals springen von Manipulationen früher computeranimierter Firmenlogos zu Bildern aus Hollywoodfilmen, die Reagans Mittelamerika-Politik attackieren, dazu gibt es Werbung für Hightech-Geräte und Olympia-Euphorie. Benders disruptive Informationsflüsse lullen nicht ein, sie schüren den kritischen Blick auf die digitale Medienrevolution (bis 31. 5., Do–So 12–18 Uhr, Unter den Linden 5, Eingang Oberwallstr.).

In Cyprien Gaillards neuem Film „Night Life“, der die plastische Textur des 3-D-Films nutzt, ist der hypnotische Effekt hingegen unwahrscheinlich stark. Vielleicht sogar zu stark, denn die kritischen Inhalte kann ich nur der Pressemitteilung entnehmen – gesehen habe ich sie nicht. Was von der Ausstellung bei Sprueth Magers bleibt, ist das eindrucksvolle Bild eines gewaltigen Pflanzenwedels, der sanft über die Köpfe der BetrachterInnen vor mir streift. Überhaupt gerät die Großstadtnatur im nächtlichen L. A. bei Gaillard durch einen Sturm kräftig ins Wogen, während ein geloopter Rocksteady-Refrain immer wieder „I was born a loser“ singt. Bis es am Ende plötzlich heißt: „I was born a winner“ (bis 18. 6., Di–Sa, 11–18 Uhr, Oranienburger Str. 18).

Nach dieser Hightech-Nummer ist das von Neïl Beloufa geschaffene Environment im Schinkel Pavillon geradezu beruhigend. Hier zwitschern Vögel, und ein selbstgezimmerter Raumteiler dient als kinetische Projektionsflächen für fragmentiertes Videomaterial. Anonyme junge Menschen schwärmen von einer ungenannten Stadt, in der die ideale Work-Life-Balance herrscht. „Hopes for the Best“ taucht in eine ironische Utopie ein, in der sich die Subjekte glücklich von der neoliberalen Kreativindustrie vereinnahmen lassen, während das poröse Setting der Installation meilenweit davon entfernt scheint (bis 31. 5., Do–So 12–18 Uhr, Oberwallstr. 1).