THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Ein junger argentinischer Revolutionär vergräbt Ende der 1970er Jahre im Garten des Hauses seiner Eltern ihn belastendes Material. Es ist die Zeit der Militärdiktatur, als der Staatsterror in Argentinien herrschte, in dessen Verlauf etwa 30.000 Menschen spurlos verschwanden. Vierzig Jahre später hat das Haus einen anderen Besitzer, der das Vergrabene wieder zutage fördert. Die Zeiten haben sich geändert. Argentinien ist eine Demokratie. Und der einstige Revolutionär Alberto hat inzwischen ein Leben gelebt, das ihn verändert hat. Hier setzt der 1971 geborene argentinische Regisseur Mariano Pensotti in seinem neuen Stück „Cuando vuelva a casa a ser otro – Wenn ich zurückkomme, bin ich ein anderer“ mit einer Archäologie biografischer und historischer Identitätsbildung an: Eine verschachtelte Erzählkonstruktion fächert die Schwierigkeiten des Erinnerns auf, die Vieldeutigkeit scheinbar so klarer Fakten und das Labyrinth aus vorfabrizierter Ideologie und Selbstbetrug, auf dem individuelle Biografien ebenso wie die Geschichtsschreibung an sich gebaut sind. (HAU: 30. 5., 20 Uhr, 31. 5., 17 Uhr)

Eine Geschichte über Identität und die Schwierigkeiten, die man damit haben kann, erzählt auch der Romanerstling von Denis Utlu: „Die Ungehaltenen“. Im Zentrum steht Elyas, ein junger Kreuzberger mit türkischen Wurzeln. Und dann ist da auch noch sein Onkel Cemal, der gleich zweimal seine Heimat verlor: erst die Türkei, als er nach Deutschland kam. Und dann Kreuzberg, als die Mauer fiel, obwohl er dort noch immer lebt. Schließlich wäre da noch die junge Medizinerin Aylin. Zu dritt machen sie sich auf die Reise. Im Studio des Gorki-Theaters setzt Hakan Savas Mikan (der immer wider ein tolles Händchen für süffig-melancholische Atmosphären hat) die Story in Szene. Für den Sound des Theater-Roadmovies von Berlin über Istanbul ans Schwarze Meer sorgt der Berliner Hip-Hop-Altmeister Volkan T. (Gorki-Theater/Studio R, „Die Ungehaltenen“, 30. und 31. 5., jeweils 20. 30 Uhr, www.gorki.de).

Und dann läuft auf der großen Bühne des Maxim Gorki Theaters zum letzten Mal Neko Celiks wirklich historische Inszenierung „Schwarze Jungfrauen“ (31. 5.,19. 30 Uhr): Sechs muslimische Frauen unterschiedlichster Couleur (von radkal bis säkular) erzählen, was das für sie jeweils heißt: Muslimin in Deutschland zu sein. Als der Abend vor fast 10 Jahren im Rahmen des HAU-Festivals „Beyond Belonging“ herauskam, war das, was heute unter dem Label „postmigrantisches Theater“ auf dem besten Weg in den Mainstream ist, kaum mehr als ein Gerücht. „Schwarze Jungfrauen“ waren so etwas wie eine erste kraftvolle Signatur.