Kommentar Daily Dope: Sauberer mit Ozon

Der als Dopingarzt bekannte Enrico Lazzaro frischt Radlerblut mit einem Ozon-Luftgemisch auf. Auch eine minderjährige Schwimmerin wurde von ihm behandelt.

Auf einen geläuterten Sünder im Radsport kommen hunderte Betrüger. Diese Rechnung darf man derzeit zumindest in Italien getrost aufmachen. Man muss allerdings hinzufügen: Die Italiener haben wenigstens einen geläuterten Sünder.

Kaum hatte der bei der Tour 2007 mit Testosterondoping erwischte Radprofi Cristian Moreni seine Bereitschaft zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe eines Jahresgehalts an die UCI signalisiert, explodiert im gut 100 Kilometer von Morenis Wohnort Mantua entfernten Padua ein neuer Dopingskandal.

Der dortige Staatsanwalt Benedetto Roberti ist auf Beweise für eine neue Blutdopingpraxis gestoßen. In dessen Zentrum soll der bereits wegen Dopings verurteilte und aus dem Sport verbannte Mediziner Enrico Lazzaro stehen. Lazzaro, 2001 eine der Hauptfiguren bei der großen Giro-Razzia, verabreichte jetzt dem Blut seiner Klienten eine Ozonkur.

Das Blut wird entnommen, mit einem Ozon-Luftgemisch angereichert und dem Körper wieder zugeführt. Lazzaro markierte in bekannter Fuentes-Manier eine Blutentnahme mit einem Kreis und die Ozonanreicherung mit dem Kürzel "oz". Nur auf Hundenamen als Codebezeichnungen wie im Falle des Madrider Superdopers sind die Ermittler noch nicht gestoßen.

Die Ozontherapie führt nach Angaben von Staatsanwalt Roberti zu einer höheren Sauerstoffkonzentration im Blut und damit zu mutmaßlich besserer Leistungsfähigkeit. Die Manipulationen sollen nicht mit dem Instrumentarium des individuellen Blutpasses nachzuweisen sein, mit dem der Weltradsportverband UCI das Doping bekämpfen will.

Außerdem ist die Therapie vergleichsweise kostengünstig und vielerorts durchführbar. Sie eignet sich vorzüglich für Radprofis. Zum Kundenkreis Lazzaros gehören laut italienischen Medienberichten mindestens sieben Radprofis. Die Untersuchungen sind auf zehn italienische Regionen von Sizilien bis zur Lombardei ausgedehnt.

Spektakulärster Einzelfall ist bislang der einer 16-jährigen Schwimmerin. Sie soll von Lazzaro freimütig verlangt haben, auf einen Hämatokritwert von über 50 Prozent gepusht zu werden. Der im Schutz der Anonymität bleibende Teenager wurde von seinem Vater, einem Rad-Amateur, zu Lazzaro gebracht. Damit ist zum Erschrecken der italienischen Öffentlichkeit eine neue Dimension der Delinquenz eröffnet.

Ein Insider der pharmazeutisch verseuchten Radsportszene weitet seinen Ehrgeiz nun auch auf seine in einem anderen Sport engagierte Tochter aus und führt diese dem Dopingnetzwerk zu. Während der Behandlung erhöhte sich laut Auswertung der Akten der Eisengehalt des Blutes der jungen Schwimmerin auf das Zehnfache (von 16 auf 162 mg/ml). Über Leistungsverbesserungen ist nichts bekannt. Der Klub der Schwimmerin hat sich mittlerweile als Nebenkläger im Verfahren gegen Lazzaro eintragen lassen. Im Radsport kann man die Rennställe, die Vergleichbares tun, mit der Lupe suchen.

Der Hobbyradler mit der schwimmenden Tochter versuchte die Dopingkur übrigens als Behandlung einer Hautkrankheit zu tarnen. Tatsächlich soll mit Ozon versehenes Blut Bakterien, Pilze und Viren abtöten können. Die aufgezeichnete Bemerkung der Tochter, die die Steigerung des Hämatokritwerts betrifft, macht diese Version allerdings unglaubwürdig.

Staatsanwalt Roberti, der Nachfolger der legendären Untersuchungsrichterin Paola Cameran, hatte Lazzaro im Zuge der Dopingverfahren der Radprofis Emanuele Sella und Andrea Moletta wieder ins Visier genommen. Sella, Bergkönig des Giro dItalia 2008, packte nach seiner Überführung als Cera-Konsument umfassend aus und lieferte Roberti wertvolle Hinweise auf die Dopingszene Norditaliens und der Schweiz.

Der Vater des Gerolsteiner-Profis Moletta wiederum war beim Giro 2008 erwischt worden, wie er seinem Sohn eine Spritze des Hormons Lutrelef bringen wollte. Das Hormon hatte er ausgerechnet von Lazzaro erworben. Die beiden Ermittlungspfade führten Roberti dazu, Dopingproben vom Giro 2008 nachuntersuchen lassen zu wollen. Eine Korrektur der Ergebnisliste der von Alberto Contador gewonnenen Rundfahrt rückt daher in greifbare Nähe.

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