Kolumne Fernsehen: Von der Glotze fürs Leben lernen

Wer ein Lokal eröffnen möchte, sollte "Mein Restaurant" auf Vox schauen - und es sich dann noch einmal überlegen.

Die Sendung ist auf Krawall gebürstet, natürlich. Da wird gestritten, geheult, da scheitern Lebensträume, und die Zuschauer dürfen sogar bei privaten Krisen dabei sein. Eben der übliche Voyeurismus von Reality-TV. Noch was? Ach ja, noch was: Ganz nebenbei wird der Bildungsauftrag des Fernsehens, von dem im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Sendern häufig die Rede ist, in der Vox-Serie "Mein Restaurant" erfüllt. Unterhaltsam und auf unaufdringliche Weise lehrreich.

Das Konzept ist einfach. Fünf Teams in verschiedenen Großstädten versuchen, erfolgreiche Gaststätten zu gründen, und werden von einer Jury beurteilt. Auf den einzelnen Schritten des Weges - von der Präsentation einer möglichst originellen Idee über die Renovierung der Gasträume bis hin zum Tag der Eröffnung - bekommen sie von den Juroren unterschiedlich viel Geld zugeteilt, mit dem sie wirtschaften müssen.

Wenn die Kneipe erst einmal läuft, ist das Publikum am Zug. Die Zuschauer entscheiden, welches von zwei Restaurants, die von der Jury bei Überraschungsbesuchen negativ bewertet wurden, als nächstes seine Pforten schließen muss. Am Schluss wird nur ein Team mit seiner Gaststätte als Sieger übrig bleiben und darf weitermachen.

Ein klassisches Gewinnspiel also. Was das mit Bildung zu tun hat? Ganz einfach: Man lernt, wie viel es zu bedenken gilt, will man als Wirt oder Wirtin erfolgreich sein. Es reicht nicht, selber gerne essen zu gehen. Das weiß doch jeder? Oder man kann zumindest durch den Prozess des Nachdenkens darauf kommen? Na ja. Vielleicht.

Vor zwei Jahren hat eine Bekannte von mir ein Weinlokal eröffnet. In einer guten Gegend, mit guten Ideen und viel Enthusiasmus. Es gab damals im Freundeskreis durchaus warnende Stimmen, die meinten, so ganz ohne Erfahrung sei dieser Schritt ziemlich gefährlich, und der viel gepriesene Mut zum Risiko sei alleine noch keine Erfolgsgarantie. Ich habe mich seinerzeit über diese Stimmen ziemlich geärgert.

Ja, natürlich kann es Probleme geben, mit denen man vorher nicht gerechnet hat. Aber die lassen sich doch lösen, und wenn alle Leute immer alle Bedenken berücksichtigt hätten, säßen wir heute noch in Höhlen herum.

Sagt sich leicht, wenn man das Risiko nicht selber trägt. Seit ein paar Monaten ist die Kneipe geschlossen, und meine Freundin sitzt nun zwar nicht in einer Höhle, aber auf einem Schuldenberg. Pech für sie.

Originell sind die Ratschläge der Jury in der Vox-Serie nicht. Aber trotzdem manchmal überraschend.

Dass eines der Restaurants, obwohl wegen der kostenlosen Fernsehwerbung ständig überlaufen, im realen Leben demnächst pleite gehen würde, weil einfach der Wirtschaftsplan hinten und vorne nicht stimmt - das hat mich gewundert und die Betreiber deprimiert. Sollten sie nicht gewinnen und trotzdem noch einmal versuchen, eine Gaststätte zu eröffnen, dann werden sie manche Anfängerfehler nicht machen.

Vielleicht tun das auch einige Zuschauer dann nicht, die schon lange davon träumen, ihr eigener Chef zu sein.

Reality-TV hat gute Quoten, gilt aber als irgendwie schmuddelig. Vor allem in Kreisen von Medienexperten. Das ist ein ziemlich arroganter Standpunkt, gespeist aus der unbeirrbaren Selbstzufriedenheit bestimmter Teile des Bildungsbürgertums.

Dabei lohnte dieses Genre durchaus den differenzierten Blick.

Es klaffen Welten zwischen der Vox-Serie und der verlogenen "Schuldnerberatung" eines Peter Zwegat bei RTL, in der er als guter Engel mit Möglichkeiten auftritt, die für seine Kollegen ohne Kamerabegleitung völlig unrealistisch sind. Und in der die Schuldner meist als Freaks erscheinen, die an ihrem Schicksal selber schuld sind.

Die Zwegat-Sendung auf RTL ist eklig, weil sie den Betroffenen die Würde raubt. Die Vox-Serie hätte einen Fernsehpreis verdient. Weil sie ihren Protagonisten die Würde lässt. Aber nicht nur deshalb. Sondern - siehe oben.

BETTINA GAUS

FERNSEHENFragen zum Lokal? kolumne@taz.de Morgen: Adrienne Woltersdorf ist OVERSEAS

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.