Kolumne Ball und die Welt: Wenn der Regen fällt

Im kanadischen Edmonton sollen die Fußballfelder bei heftigem Regen geflutet werden. Dafür gab's immerhin den Watershed Award. Aber warum nicht auch Eishockey- und Golfplätze?

Fußball fällt nicht vom Himmel. Regen hingegen schon. Diese Erkenntnis hat sich nun auch im kanadischen Edmonton durchgesetzt, das bislang kaum durch fußballerische Erfolge auffiel. Bloß durch Regen. Nachdem im Juli vor sechs Jahren ein schweres Gewitter die Stadt und ihre Keller unter Wasser gesetzt hatte, glaubten die Kommunalpolitiker, handeln zu müssen.

Die Lösung: Fußballfelder sollen geflutet werden, wenn es mal wieder so dicke runterkommt wie 2004, als pro Stunde auf einen Quadratmeter zehn Zentimeter Regen und Hagel fielen. In Lendrum Place, einem Stadtteil von Edmonton, wo jetzt das Projekt anläuft, also die Plätze volllaufen, standen damals etliche Keller unter Wasser.

Aber, dachte man sich, wir haben doch Sportplätze. Im Lendrum Athletic Park finden sich ein Fußball-Großfeld und zwei -Kleinfelder. Dazu kommen noch die Schulen des Bezirks, die alle über Fußball- und Leichtathletikplätze verfügen.

Da soll nun das Wasser hingeleitet werden, wenn das Gewitter wieder zuschlägt. Und für diese tolle Idee hat die Stadt Edmonton nun einen Preis, den Watershed Award, erhalten, denn die Idee zeige, wie man kreativ mit den Herausforderungen, die der Klimawandel erzeuge, umgeht. Bekanntlich ist es überall auf der Welt Aufgabe von Sportplatzbetreibern, einen Platz in gutem Zustand zu halten und nur allerschlimmstenfalls das hässliche Schild mit dem hässlichen Wort "unbespielbar" ans hässliche Eingangstor zu hängen. Dass es auch die Aufgabe von Platzwarten sein könnte, nur Wasser, nicht aber Sportler reinzulassen, ist neu.

Nun ist die Stadt Edmonton ja in der Sportwelt nicht ganz unbekannt. Ein wenig eitel nennt sie sich "City of Champions", denn das örtliche American-Football-Team, die Eskimos, hat schon oft den kanadischen Grey Cup gewonnen. Und noch berühmter sind die Eishockeyspieler der Edmonton Oilers, die fünfmal schon den Stanley Cup der NHL holten.

Doch auf die lustige Idee, deren Trainingsplätze zu fluten, ist bislang noch niemand gekommen. Nicht mal die gewiss ökologisch nachhaltige Maßnahme, das gesammelte Wasser bis zum Winter aufzubewahren, damit auf der zugefrorenen Fläche dann Nachwuchstalente im Eishockey entdeckt werden könnten, wurde bislang geäußert.

Lendrum Place wirbt auf seiner Website damit, dass hier der Fußball groß rauskommen soll: Teams werden gebildet, Schiedsrichter werden gesucht, der Bezirk hat extra zwei Soccer-Koordinatoren benannt. Das verweist darauf, dass es hier beschaulich und bürgerlich zugeht. Das ist in Nordamerika, also den USA und Kanada, die Grundlage für die bisherige und weitere Entwicklung des Fußballsports.

Die Beteiligung von Jungen und Mädchen ist etwa fifty-fifty, der Sport gilt als gesund, und ihm wird nachgesagt, so etwas wie soziales Verhalten zu fördern. Kurz: Es ist nichts für Proleten, wie in Kanada das Eishockey oder in Europa der Fußball.

Der gleiche Gedanke anders formuliert: Fußball in Kanada ist das Hobby von Familien, die, wenn sie in Europa lebten, ihre Kinder zum Feldhockey schickten und die grüne Partei wählten.

Das erklärt einiges. Zum Beispiel die Umleitung der Wassermengen, die bei einem Gewittersturm runterkommen, auf Fußballfelder. Der Sport ist nämlich gar nicht so wichtig, denkt man sich hier. Zumindest nicht im Vergleich zur Umwelt, die doch im Keller des eigenen Eigenheims beginnt. Erst recht nicht im Vergleich zum Eishockey, das Nationalsport ist. Und einen Golfplatz zu fluten, fiele deswegen niemand ein, weil dann doch die teure Anlage kaputtginge!

Es sagt etwas über den Stellenwert aus, den man dem Fußball beimisst, wenn man seine Sportstätten wie selbstverständlich für dieses Projekt zur Verfügung stellt. Mittelklasse eben. Das heißt in Lendrum Place: angesiedelt irgendwo zwischen Golf und Eishockey, zwischen dem Sport der Reichsten und dem der Meisten. In Deutschland würde man vermutlich den Hockeyplatz fluten.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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