Kolumne Seitenblicke auf den US-Wahlkampf: Wenn jeder wählt, herrscht Chaos pur

Die USA macht es den Wahlwilligen nicht leicht. Wer seine Stimme abgeben will, muss einige Hürden auf sich nehmen.

Eine beliebte Zeitungsüberschrift in den USA ist dieser Tage: „Stell dir vor, es sind Wahlen, und alle gehen hin.“ Nicht auszudenken! Tut sich die größte westliche Demokratie ohnehin schwer damit, ihre Wahlprozesse transparent und betrugssicher zu organisieren, so wird es richtig kritisch, wenn die Wähler sich– wie für Dienstag erwartet – wirklich beteiligen wollen. Registrieren, wählen, Stimmauszählung - gleich alle drei Schritte sind umstritten.

Zunächst muss sich, wer in den USA wählen will, registrieren lassen. In einem Land, das keine Einwohnermeldeämter kennt, geht hier das Problem bereits los. Zur Identifikation dienen Führerschein oder Sozialversicherungsnummer. Das ist nur bedingt sicher, und so weiß auch wer registriert ist nicht, ob er tatsächlich wählen darf. „Erwarten Sie nicht, dass sie auf der Liste sind, nur weil Sie schon seit Jahren wählen,“ lautet der Tipp eines oberen Beamten der Wahlbehörden im Radio. Wie bitte? Naja, da käme es immer wieder zu Problemen, und daher rät der Beamte, Wähler sollten sich rechtzeitig noch einmal erkundigen, ob sie tatsächlich auf der Liste stehen. Kann man sich vorstellen, wie unter solchen Umständen in Deutschland die Wahlbeteiligung aussehen würde?

Probleme bei der Wählerregistrierung werden sofort zum Gegenstand parteipolitischen Streits mit immer gleicher Konfiguration: Demokraten klagen stets, tausende rechtmäßige Wähler, insbesondere Schwarze und Menschen aus den unteren sozialen Schichten, würden unrechtmäßig abgewiesen. Republikaner hingegen klagen, die Wählerregister seien voll von Toten, von Doppeleintragungen, von Menschen, die es gar nicht gäbe. Und weil das so ist, haben beide Parteien am Wahltag in den umkämpften Staaten, in denen der Ausgang der Wahl entschieden wird, tausende von Anwälten am Start, die sofort einspringen, wenn es Beschwerden gibt.

Wenn es dann an die eigentliche Stimmabgabe geht, ist wieder überall alles anders. In den meisten Bundesstaaten wird in diesem Jahr nicht mehr mit Touchscreen-Wahlmaschinen gewählt, sondern mit einem klassischen Stimmzettel, der dann eingescannt wird. Nach etlichen Berichten über fehlerhafte oder manipulierbare elektronische Wahlmaschinen ist das Vertrauen der Wähler in diese Geräte dahin – nur fünf Prozent der Wähler werden ihre Stimme etwa mit den berüchtigten Diebold-Touchscreen-Maschinen abgeben.

Der Systemwechsel kostet Zeit. In Florida etwa werden über zwei Millionen Menschen schon vor dem Wahltag ihre Stimme abgegeben haben – dennoch erwarten die Wahlbehörden lange Schlangen am Dienstag.

Und das ist für die meisten WählerInnen ein echtes Problem: Wer keine Lust hat, zum Wählen einen Urlaubstag zu nehmen, muss seinem Arbeitgeber erklären, warum er Stunden zu spät erscheint – und nicht alle haben dafür Verständnis. Schon überlegen einige Bundesstaaten, die Wahllokale länger geöffnet zu halten – andere nicht.

Und so werden auch an diesem Wahltag gegenseitige Betrugsvorwürfe und Berichte über massive Probleme auf der Tagesordnung stehen. Ein Grund mehr, warum wir alle nur hoffen können, dass diese Wahl nicht knapp ausgeht.

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