Kommentar Israels Vorstoß gegen Menschenrechtler: Ausgehöhlte Demokratie

Kritik ist Verrat. Das ist die Botschaft, die die Knesset verkündet. Der nächste Schritt wäre das Verbot regierungskritischer Organisationen oder die Inhaftierung ihrer Mitglieder.

Kritik ist Verrat. Das ist die Botschaft, die die Knesset verkündete, als sie am Mittwoch beschlossen hat, die Finanzierung der israelischen Menschenrechtsgruppen unter die Lupe zu nehmen. Die Finanzierung der Menschenrechtsgruppen in Israel ist jedoch längst transparent und jederzeit überprüfbar. Der Vorwurf, sie würden von "antizionistischen Agenten aus dem Ausland" finanziert, ist haltlos. Es geht in der Debatte eben nicht um eine Sachfrage, sondern um eine ideologische Auseinandersetzung, um die Hoheit über den politischen Diskurs. Wer Kritik an der Regierung, am Verhalten der Armee oder an Siedlungspolitik und Besatzung übt, soll mundtot gemacht und als "unpatriotisch" gebrandmarkt und damit aus der "demokratischen Debatte" ausgeschlossen werden. Der nächste Schritt wäre das Verbot dieser Organisationen oder die Inhaftierung ihrer Mitglieder.

Es trifft zu, dass Berichte von Gruppen wie Betselem oder Breaking the Silence dazu geführt haben, dass Exaußenministerin Zipi Livni und etliche Offiziere Auslandsreisen, etwa nach Großbritannien, abgesagt haben, um einer möglichen Verhaftung zu entgehen. Erst aufgrund solcher Berichte sind Vergehen oder gar Kriegsverbrechen von Soldaten und Offizieren der Armee an den Tag gekommen.

In Zukunft soll genau das unterbunden werden. Das ist das eigentlich Gefährliche dieses parlamentarischen Votums. Es ist nicht nur ein Zeichen von Intoleranz, die eigenen Verbrechen zu verschweigen. Ein solches Schweigegebot ist vielmehr ein konstitutives Element jeder autoritären Regierung, ja einer Diktatur.

Noch ist die Initiative kein Gesetz. Aber die Wagenburgmentalität, die sie fördert und fordert, ist die wahre Gefahr für Israels Demokratie.

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61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.

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