Kommentar Brandanschlag auf S-Bahn: Begründung aus dem Baukasten

Mit dem Brandanschlag sollte alles Böse dieser Welt getroffen werden. Im Verkehrschaos stecken geblieben sind jedoch die Berliner, die auf die S-Bahn angewiesen sind.

Das war ein Volltreffer. Mit einem schlichten Kabelbrand haben Unbekannte am Montag in Berlin für ein umfassendes Chaos gesorgt. Tausende Fahrgäste der S-Bahn kamen nicht mehr weiter, Telefonnetze und Internetverbindungen wurden lahmgelegt, selbst die Homepage der Bahn war phasenweise gestört.

Phasenweise gestört waren offensichtlich auch der oder die Täter. Zu dieser Auffassung muss man jedenfalls kommen, wenn man das im Internet verbreitete Bekennerschreiben für echt hält.

Da wird als Begründung für den Anschlag ein Argumentationsmix geliefert, der wie aus dem Baukasten für linksradikale Pamphlete zusammengestöpselt wirkt. Die technisch offensichtlich sehr kenntnisreich und zielgenau ausgeführte Attacke soll tatsächlich als Symbol für den Kampf gegen so ungefähr alles Böse herhalten, was man sich nur vorstellen kann: gegen EU und die Atomkonzerne, gegen die Waffenexporteure und die Regierung, gegen die Flüchtlingspolitik - und gegen Berlin, die Hauptstadt des Bösen.

Wow! Und all dies trifft man also, in dem man Berlins rumpelige S-Bahn lahmlegt?

Man müsste das Schreiben umgehend als bloßen Fake abtun, wenn es in seiner Diktion nicht doch leider recht authentisch wirken würde.

Das macht es umso schlimmer. Denn auf Verständnis darf man mit so einem Quatsch nicht einmal bei den Gutwilligsten hoffen. Die Massen, die nun im Verkehrschaos stecken, werden jedenfalls kaum von der herbeifabulierten Gesellschaft ohne Herrschaft, sondern eher von einer Stadt mit funktionierendem Nahverkehr träumen.

Wenn die S-Bahn bisher nicht kam, konnten die Wartenden zu Recht auf die substanzschädigende Profitgier der Bahn schimpfen. Jetzt meckern sie über diese durchgeknallten, linken Atomkraft- und Kapitalismuskritiker. Na super!

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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