Debatte Italien: Berlusconi bedeutet Geld

Der Regierungschef hat die Innen- und Außenpolitik Italiens erfolgreich zum Handlanger einiger weniger Konzernchefs umfunktioniert. Das ist sein Erfolgsrezept.

Sehrrrr gute Frrreunde: Wladimir Putin (li.) und Silvio Berlusconi. Bild: reuters

Am 14. Dezember 2010 bestätigte das italienische Parlament Silvio Berlusconi als Premierminister. Der Sieg des "Cavaliere" löste bei den meisten Beobachtern Erstaunen aus. Wie kann es sein, dass Korruption immer wieder die Oberhand behält und die Opposition nicht aufhört, sich zu zerstreiten? Um das Phänomen Berlusconi zu verstehen, hilft vor allem eine Frage weiter: Wem nutzt Berlusconis politische Linie, wer verdient mit ihr Geld?

Die globale Finanzkrise traf in Italien vor allem die mittelständischen Unternehmen hart. Die italienische Regierung reagierte auf die Krise mit einem verstärkten außenpolitischen Engagement, vor allem in Ländern, in denen Autokraten das gesamte öffentliche und wirtschaftliche Leben kontrollieren. Die Mittelständler hatten davon jedoch nichts - ihnen fehlte das Kapital, um mithalten zu können.

Die diplomatischen Kontakte waren im Grunde reine Verkaufsgespräche für italienische Waren, Dienstleistungen und Investitionen - und wer hätte besser mit Diktatoren verhandeln können als Berlusconi? Ihn kümmerte es wenig, dass die massenhafte Verlagerung von Kapital und Produktion den heimischen Arbeitsmarkt schwer belastete und die Wettbewerbsfähigkeit Italiens strukturell Schaden nahm. Gewinner waren die Manager der großen Konzerne, die schon lange nicht mehr in nationalen Kategorien denken, sondern ausschließlich an ihrem persönlichen Kapital- und Machtgewinn interessiert sind.

"Die Leute lieben dich", ließ Berlusconi im November 2009 den weißrussischen Diktator Alexander Lukaschenko wissen, als er ihn besuchte. Die internationalen Medien empörten sich pflichtgemäß. Dass gleichzeitig italienische Diplomaten sich ins Zeug legten, Exklusivrechte für eine Spezialwirtschaftszone "Made in Italy" in Brest zu ergattern, fiel weitgehend unter den Tisch.

Die bilateralen Abkommen garantieren Firmen, die sich dort ansiedeln wollen, eine Kreditlinie von 165 Millionen Euro, eine Bahnverbindung von Veneto über Brest nach Moskau sowie Zoll- und Abgabenfreiheit auf Waren und Maschinen.

Unter den Investoren in Weißrussland sticht Finmeccanica hervor, italienischer Marktführer in den Bereichen Verteidigung, Luftfahrt, Energie und Transport. Vor Ort hat Finmeccanica Verträge in den Bereichen Sicherheitssysteme, Automatisierung der Post und Energieberatung abgeschlossen - herkömmlicher wie nuklearer.

Finmeccanica gehört zu 32,4 Prozent dem italienischen Wirtschaftsministerium. Der Jahresumsatz beläuft sich auf 18 Milliarden Euro, dem Konzern gehören 77.000 Beschäftigten an. CEO ist seit 2002 Pier Francesco Guarguaglini als Manager das beste Beispiel dafür, wie man aus der politischen Linie Berlusconis den höchsten Nutzen zieht.

Berlusconi, Gaddafi und Putin

Beim Treffen zwischen Berlusconi und dem libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi in der römischen Villa Panfili 2010 sprang für Finmeccanica ein Abkommen zur Sicherung der libyschen Grenzanlagen über 300 Millionen Euro heraus, 247 Millionen für Signal- und Telekommunikationsstrukturen entlang der Eisenbahnlinie Sirth-Bengazi und schließlich Verträge zur Lieferung und Instandhaltung der libyschen Hubschrauberflotte.

Schlagzeilen aber machte ein anderes Ereignis: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die konzerneigene Gruppe Selex Sistemi Integrati wegen schwarzer Kassen, aus denen Schmiergelder an Politiker und Manager geflossen sein sollen. Pikanterweise wird Selex Sistemi Integrati von Guarguaglinis Ehefrau geleitet. Berlusconi reagierte schnell: "Finmeccanica ist ein außergewöhnliches Unternehmen. Erst kürzlich hat es einen Vertrag mit Russland abgeschlossen. Ich wünsche mir, dass die Ermittlungen sich bald in Luft auflösen werden. Mehr noch: Ich bin davon überzeugt."

Auch sehrrrr gute Frrreunde: Muammar al-Gaddafi (li.) und Silvio Berlusconi. Bild: reuters

Finmeccanica ist nicht der einzige italienische Konzern, der mit dem Riesenreich gute Geschäfte macht: Leuchtende Namen der italienischen Industrie wie Parmalat, Iveco, Ferrero, Cremonini und die Marcegaglia-Gruppe produzieren in Russland.

Russland und Italien sind seit 1969 eng verbandelt, zumal wenn es um Gas geht. Richtig Schwung bekam die Sache aber erst durch die Busenfreundschaft von Putin und Berlusconi. Es war der Cavaliere, der dem Konzern ENI - dessen Präsident Roberto Poli auch im Verwaltungsrat von Fininvest, Berlusconis "Urfirma" sitzt - den Kauf von Yukos-Anteilen empfahl, der Ölfirma des früheren Magnaten und heutigen Häftlings Chodorkowski. Vergessen wir auch nicht Berlusconis Vorliebe für das Pipelineprojekt Southstream im Gegensatz zum Projekt Nabucco, das zwar günstiger kommen dürfte, aber nicht über russisches Territorium führt. Der Tageszeitung La Repubblica zufolge ist Berlusconi mit eigenem Kapital in Höhe von etwa einer halben Milliarde Dollar an einer der Gasförderstätten in Karachaganakh an der russisch-kasachischen Grenze beteiligt.

Italiens Engagement im Iran

ENI ist zu 30 Prozent in Staatsbesitz und unterhält verschiedene Bohrinseln auch im Iran. Die Islamische Republik ist dabei ein Sonderfall der italienischen Wirtschaftsdiplomatie. Einerseits folgt man der westlichen Linie und droht schon mal mit Sanktionen. Anderseits engagieren sich dort die üblichen Verdächtigen - neben ENI auch Finmeccanica. Der Konzern hat Verträge über 44 Turbinen zur Stromerzeugung und zur Aluminiumherstellung in Bandar abgeschlossen. Mit 8 Milliarden Dollar Jahresumsatz ist Italien im Geschäft mit Teheran unangefochten die Nummer 1 in Europa.

Unterm Strich scheint das Italien Berlusconis immer mehr organisiert wie eine Firma, die dem Profit einiger skrupelloser Topmanager dient. Die Mehrheit der Bevölkerung bekommt von den Gewinnen nicht nur nichts, sie wird von diesen Geschäften nachhaltig geschädigt. So auch im Fall der 20.000 Fiat-Beschäftigten, die sich gezwungen sehen, einen neuen Arbeitsvertrag zu akzeptieren, der sie zu mehr und flexiblerer Arbeit verpflichtet und das Streikrecht einschränkt. Bei Ablehnung würde der Arbeitsplatz in andere Länder transferiert, kündigte der starke Mann bei den Autobauern, Sergio Marchionne, an. "Ein historisches und rundum positives Abkommen", befand Berlusconi.

Aus dem Italienischen übersetzt von Ambros Waibel

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.