Kommentar Lidl: Billiges Kalkül

Lidl verschweigt sein ökonomisches Interesse. Mit einem Mindestlohn will er die schlechter bezahlende Konkurrenz verdrängen. Es geht hier nicht um soziale Wohltaten.

Wenn sich ausgerechnet der Lidl-Konzern als Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit darstellt, lohnt es sich, die Motive näher zu betrachten. Wem nutzt es also, wenn der Discounter jetzt öffentlichkeitswirksam einen Mindestlohn von zehn Euro fordert?

Die wohlklingenden Sätze, die Lidl-Chef Kisseberth an die Bundestagsfraktionen - und selbstverständlich auch an die Nachrichtenagenturen - schickte, sind zunächst einmal kostengünstige Imagepflege. Seit Jahren macht der Lebensmittelanbieter immer wieder von sich reden, weil er Mitarbeiter unter Druck setzte und bespitzelte. Bei vielen - im Zweifel: ehemaligen - Kunden dürfte sich das Bild eines gewissenlosen Ausbeuters festgesetzt haben. Ein wenig demonstrativ zur Schau gestelltes soziales Gewissen schadet da nicht.

Außerdem verschweigt Lidl sein ökonomisches Interesse. Die nach Hauptkonkurrent Aldi mächtigste Lebensmittelkette in Deutschland will mit einem Mindestlohn jene Konkurrenten aus dem Markt drängen, die teilweise deutlich schlechter bezahlen. Es geht also eher um den strategischen Ausbau von Marktmacht denn um soziale Wohltaten.

Nebenbei bemerkt: Ob Lidl seinen Mitarbeitern tatsächlich mindestens zehn Euro zahlt, wie das Unternehmen behauptet, kann man glauben oder nicht. Überprüfen lässt es sich nicht, denn Intransparenz gehört zum System Lidl. Die Kette ist als Stiftung organisiert, sie muss deshalb keine Geschäftszahlen veröffentlichen. Und sie bekämpft Betriebsratsgründungen, um Gewerkschaften Einblick zu verwehren. Dem wolkigen Appell stehen also Taten gegenüber, die ihm widersprechen.

Dabei steht außer Frage: Ein gesetzlicher Mindesttarif würde Dumpinglöhne verhindern, die Kaufkraft der Konsumenten stärken und noch vieles mehr. Doch eine Regierung aus CDU und FDP wird den nie und nimmer einführen. Entsprechend fällt die Antwort auf die Eingangsfrage leicht. Wem nutzt die Lidl-Forderung? Vor allem Lidl selbst.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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