Die Gesellschaftskritik: Bis keiner mehr wählt

Nichts scheint ausgeschlossen. Sagt die FDP bald: "Wir sprechen nicht mit Parteien, die mit Parteien sprechen, die Koalitionsgespräche mit Extremisten führen"?

Einige Tage ist die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nun vorbei - Zeit für einen politischen Überblick: Wahlgewinnerin ist die CDU, zumindest nach Stimmen. Weil sie aber viele Prozente verloren hat, kann sie nicht mehr mit der FDP koalieren. Deswegen möchte CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers nun eine große Koalition mit der SPD anführen, die aber ihrerseits die Ministerpräsidentin stellen will, weil sie sich als Siegerin fühlt, weil sie nicht ganz so viele Stimmen verloren hat.

Da dies Rüttgers nicht mitmacht, will die SPD auch mit der Linkspartei sprechen, die sie noch kurz vor der Wahl als nicht koalitionsfähig bezeichnet hat. Und weil sie das nun tatsächlich wagt - also: das Gespräch -, darf sie nicht mehr mit der FDP sprechen, was sie wollte, um vielleicht eine Ampel einzugehen. Denn die FDP sagt, sie spreche nur mit Parteien, die nicht mit Parteien sprechen, die extremistisch sind, und das ist die Linke - sagt die FDP.

Politik ist taktisch, klar. Besonders taktisch ist Politik nach Wahlen, wenn es um die Ausgangsposition für Koalitionsgespräche geht - bekannt. Bemerkenswert ist, dass die Taktiererei in einer Zeit geschieht, in der die Grenzen zwischen den Lagern aufgeweicht sind. Die Union fördert auf einmal Kinderbetreuung, die Grünen machen Schulpolitik mit der CDU. Die FDP war noch vor fünf Jahren der SPD in Nordrhein-Westfalen so nah wie keine andere Partei, koaliert im Saarland mit den Grünen und diskutiert neue Bündnisse - weil alle anderen Parteien genauso verfahren. Sie öffnen sich.

ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Umso künstlicher wirkt die Abgrenzungsmaschinerie, die sich in Nordrhein-Westfalen in Gang gesetzt hat. An den Haaren herbeigezogen ist das Argument der FDP ("Wir sprechen nicht mit jemandem, der Koalitionsgespräche mit Extremisten führt"). Wird die FDP nach der nächsten Wahl auch eine Koalition mit der CDU ausschließen ("Wir sprechen nicht mit Parteien, die mit Parteien sprechen, die Koalitionsgespräche mit Extremisten führen")? Im Namen der Taktik: Nichts scheint ausgeschlossen.

Besonders FDP und SPD appellieren nun an den anderen, nicht der Demokratie zu schaden. Aber sie tun es gemeinsam. Weil außerhalb der Talkshows und Leitartikel keiner mehr versteht, warum wer mit wem spricht und wer mit wem nicht.

Nur eine Mehrheit ist sicher - die der Nichtwähler. Die haben nämlich am Sonntag 41 Prozent geholt. Und sind damit erstmals stärkste Kraft im Düsseldorfer Landtag.

Äh, davor.

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