Kommentar EU-Finanzberater: Bock zum Gärtner gemacht

Bruchlos wird die Politik forgesetzt, die einst zur Finanzkrise führte: Gläubig wird Lobbyisten gelauscht.

Wenn man einen Sumpf trockenlegen will, darf man nicht die Frösche fragen. Dieser Spruch ist nicht originell, aber wahr. Trotzdem wird er von der EU-Kommission nicht beherzigt. Als wäre die Finanzkrise nie gewesen, lässt sich Binnenmarktkommissar Barnier ausgerechnet von den Banken beraten, wie eine Bankenregulierung am besten auszusehen hätte.

In sein neues "Expertengremium" berief er fast nur Vertreter der Finanzindustrie - ob nun von Goldman Sachs, der Royal Bank of Scotland oder der Deutschen Bank. Bruchlos wird eine Politik fortgesetzt, die einst zur Finanzkrise führte: Gläubig wird Lobbyisten gelauscht, werden Interessenvertreter zu "Experten" geadelt.

Die Mindestforderung ist klar: In den EU-Beratergremien müssen Verbraucherschützer, Gewerkschaften und unabhängige Wissenschaftler gleichberechtigt vertreten sein. Doch selbst wenn die EU dieses Gebot der Fairness beachten würde, wäre die Gefahr noch nicht gebannt, dass die Banker dominieren.

Die Übermacht der Lobbyisten beruht ja nicht nur auf ihrer Zahlenstärke - vor allem monopolisieren sie das technische Finanzwissen. In den Nichtregierungsorganisationen gibt es bisher fast niemanden, der sich mit dem Investmentbanking intim auskennen würde. Was kein Wunder ist: Dieses Finanzwissen lässt sich nicht nebenher und ehrenamtlich aneignen. Das ist ein Fulltime-Job.

Daher muss es Nicht-Bankern auch wie ein Fulltime-Job bezahlt werden, wenn sie einem EU-Expertengremium angehören. Die EU-Parlamentarier haben bereits erkannt, dass es unabhängige Finanz-Expertise nur geben kann, wenn sie entlohnt wird.

In einem fraktionsübergreifenden Antrag fordern die Abgeordneten daher, dass die NGO-Abgesandten ein Gehalt und ein Sekretariat erhalten, wenn sie in einem Beirat der künftigen EU-Aufsichtsbehörden für die Finanzmärkte sitzen. Das ist sehr richtig gedacht, aber noch zu eng. Auch bei allen anderen EU-Finanzgremien müssten die NGO-Vertreter entlohnt werden.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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