Kommentar BGH zum Unterhaltsrecht: Das frauenfreundliche Urteil

Was konkret aus dem neuen Unterhaltsrecht wird - mal sehen. Klar ist aber schon jetzt: Auf lange Sicht könnte es sich positiv auf die Position der Frau auf dem Arbeitsmarkt auswirken.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Mittwoch sein erstes Grundsatzurteil zum neuen Unterhaltsrecht gesprochen. Doch was konkret daraus wird, werden erst die nächsten Monate und Jahre zeigen. Denn der BGH hat nur die Richtung angegeben: Die Reform des Gesetzgebers soll abgemildert werden. Auch wenn ein Kind in den Ganztagskindergarten geht, muss die alleinerziehende Mutter nicht sofort wieder Vollzeit arbeiten. Außerdem kann auch eine Beziehung mit traditioneller Rollenverteilung zum Anspruch auf längeren Betreuungsunterhalt führen.

Doch was daraus konkret folgt, ist noch unklar. Denkbar ist, dass eine Mutter nur eine 80-Prozent-Stelle annehmen muss, bis das Kind fünf Jahre alt ist. Denkbar ist aber auch, dass erst ab dem 10. Lebensjahr des Kindes mehr als ein Halbtagsjob erwartet wird. Der BGH hat die Zivilgerichte nur dazu aufgerufen, über Modelle und Fallgruppen nachzudenken.

Der Gesetzgeber wollte mit der Reform eine frühe Rückkehr der Mutter in den Beruf fördern. Am Ende kommt es darauf an, ob dieser Impuls in der Gesellschaft spürbar bleibt oder ob er von der Rechtsprechung weitgehend unterlaufen wird. Letzteres wäre schlimm. Denn mit der Reform des Unterhaltsrechts wollte Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) ja vor allem verhindern, dass die traditionelle Rollenverteilung Frauen zu sehr ins Abseits drängt und sie so - selbst nach dem Ende einer Beziehung - von einem Mann abhängig bleiben.

Doch auch wenn sich an den Gerichten die Fans der traditionellen Rollenverteilung starkmachen: Die Reform sorgt ohnehin für produktive Unruhe. Denn generell kommt es seit Jahresbeginn im Unterhaltsrecht viel mehr auf den Einzelfall an. Wie ist die Kinderbetreuung vor Ort? Wie sieht der lokale Arbeitsmarkt aus? Wie lange hat die Frau im Beruf ausgesetzt? Welche Entwicklungen hat sie dabei konkret verpasst? Wer eine Beziehung eingeht und zur Familie wird, kann sich nur noch auf wenig feste Garantien für die Zeit nach der Beziehung verlassen. Auch das spricht dafür, dass Frauen während der Beziehung gerechte Arbeitsteilung durchsetzen und den Kontakt zum Arbeitsmarkt besser nicht abreißen lassen. Die Reform wirkt also auf alle Fälle.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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