Kommentar Anti-Atomkraft-Bewegung: Das nächste große Ding

Es ist kein Zufall, dass die Anti-Atomkraft-Bewegung in den letzten Jahren bei der jungen Generation an Schwung gewonnen hat. Die 30 Jahre alte Bewegung wurde gekonnt revolutioniert.

Das erste Indiz war die Castor-Blockade 2008. Nicht mehr nur die erfahrenen Protestler, die schon in den 1970ern gegen Atomkraft auf die Straße gingen, saßen auf dem Asphalt vor dem Zwischenlager, sondern mindestens ebenso viele junge Menschen. Ein ähnliches Bild bot sich ein Jahr später bei der Anti-Atom-Demo in Berlin. Warum auf einmal? Wo bleibt der Einsatz der Jungen, das Klischee vom unengagierten, karriereorientierten Egozentriker zu erfüllen?

Es ist kein Zufall, dass die Anti-Atomkraft-Bewegung in den letzten Jahren vor allem bei der jungen Generation an Schwung gewonnen hat, während - das muss man dazusagen - andere Protestszenen mit ihren Teilnehmern zu altern scheinen und vermutlich irgendwann aussterben. Dabei spielen auch die Aktionsformen eine Rolle, die die Anti-Atomkraft-Bewegung gekonnt revolutioniert hat. Die Latschdemo ist zur Ausnahme geworden. Ketten, Umzingelungen, Onlineaktionen bestimmen das Bild: kurze, zeitlich eingrenzbare Beteiligung, maximale öffentliche Wirkung.

Auch die Mobilisierung findet längst nicht mehr nur per Flyer, Plakat und mit Anzeigen in einschlägigen Medien statt, sondern in sozialen Netzwerken, über Videos. Schließlich gilt es, die zu erreichen und zu überzeugen, die nicht sowieso kommen.

ist Bewegungsredakteurin im Berlin-Teil der taz.

Manche geben offen zu, dass die Beteiligung an Aktionen und Großdemos für sie vor allem die Suche nach dem nächsten großen Ding nach Heiligendamm ist. Die Suche nach Nervenkitzel, dem Gefühl, Teil einer Bewegung zu sein und etwas in die Gänge bringen zu können. Die Inhalte kommen dann schon. Unwichtig sind sie trotzdem nicht: Die beste Mobilisierung, die spannendste Aktion und der größte Freundeskreis bei Facebook helfen schließlich nichts, wenn das Thema niemandem hinter dem Ofen hervorlockt.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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