Kommentar Der Hering ist in Not: Dem Schwarm eine Chance

Der Hering hat Nachwuchsprobleme. Die Bestände sind jetzt schon unter die kritische Marke gefallen. Der Meeresfisch braucht dringend Schutz und Schonzeit.

Ausgerechnet der Hering: Jahrelang war er der Notanker im leergefischten Ozean. Die Silberlinge konnte man noch "mit gutem Gewissen" essen, sie standen ganz oben auf den Empfehlungslisten von Greenpeace, WWF und Co. Der große Schwarm war noch intakt. Vorbei! Der Hering ist in Seenot, sein Nachwuchs kommt nicht richtig hoch, und keiner weiß warum. Man vermutet, dass es für die Heringslarven ein Nahrungsproblem gibt, aber das ist nur eine These.

Nach mehreren Jahren mit akuten Nachwuchsproblemen ist der Bestand erwachsener Heringe in der Nordsee unter die kritische Marke von einer Million Tonnen gefallen. Höchste Zeit, die Reißleine zu ziehen und die Fangquoten kräftig zu senken. Das hätte schon in den Vorjahren geschehen müssen. Zu einer Halbierung der Fangquoten auch in der Ostsee, die der Fischereirat jetzt vorschlägt, gibt es daher keine Alternative.

Gerade beim Hering sollten wir die rüden Lektionen der Vergangenheit gelernt haben. Der totale Hering-Fangstopp der 1970er-Jahre hat gezeigt: Je länger man mit wirkungsvollen Maßnahmen wartet, desto schmerzhafter werden sie und desto länger dauert auch die Erholung zusammengebrochener Populationen. Manchmal klappt sie gar nicht mehr. Vor Neufundland konnte man einst auf dem Rücken des Kabeljaus übers Wasser gehen, ohne sich nasse Söckchen zu holen, so dicht standen die Fische. Dann wurde der Kabeljau mit industrieller Überfischung fast ausgerottet. Als die kanadische Regierung im Juli 1992 endlich den Kabeljaufang stoppte, war es zu spät. Der gierige Allesfresser und Überlebenskünstler hat sich nie wieder erholt. Andere Fische haben den Lebensraum besetzt. Die Kabeljaufischerei vor Neufundland war für immer am Ende.

Das muss beim Hering nicht ganz so dramatisch laufen. Aber der deutscheste aller Meeresfische, auf dem einst die Hanse ruhte, braucht Schutz und Schonzeit. Geben wir sie ihm. Nachhaltige Fischerei heißt: Nur so viel Fisch fangen, wie nachwächst. Wer das nicht beachtet, wird zum Milchbauern, der seine Kuh schlachtet.

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Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Umweltjournalist und Autor in Berlin. Themenschwerpunkte: Klima, Umwelt, Landwirtschaft sowie Essen & Trinken. Kriener war elf Jahre lang taz-Ökologieredakteur, danach Gründungschefredakteur des Slow-Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei.. Zuletzt erschienen: "Leckerland ist abgebrannt - Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur". Das Buch schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde von Umweltministerin Svenja Schulze in der taz vorgestellt. Kriener arbeitet im Journalistenbüro www.textetage.com in Kreuzberg.

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