Kommentar G-8-Razzien: Der Fall Monika Harms

Die Generalbundesanwältin hätte die rund 40 Hausdurchsuchungen erst gar nicht anordnen dürfen. Sie war für die Ermittlungen überhaupt nicht zuständig. Hier war Willkür im Spiel.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs trifft Monika Harms. Höchstpersönlich hatte die Generalbundesanwältin zwei Wochen vor Beginn des G-8-Gipfels in Heiligendamm die Razzien gegen 20 vermeintlich militante G-8-Gegner angeordnet. Am rigorosen Vorgehen der Ermittlungsbehörden hielt sie noch fest, als längst offenkundig war, dass brennende Autos und Farbeierwürfe noch lange keinen Vorwurf des "Terrorismus" rechtfertigen.

Zur Erinnerung: Im Mai 2007 hatten 900 Beamte rund 40 Wohnungen durchsucht und 20 Personen verdächtigt, einer terroristischen Vereinigung anzugehören. Zwölf Anschläge mit einem Sachschaden von rund 2,6 Millionen Euro rechnete die Bundesanwaltschaft dieser angeblichen Vereinigung zu; einigen der Verdächtigen wurden gar Geruchsproben entnommen. Nun hat der BGH festgestellt, dass die Razzien rechtswidrig waren.

Mit diesem Urteil stellt der BGH klar, dass Brandanschläge zwar strafrechtlich verfolgt werden müssen. Dafür zuständig sind aber die Strafverfolgungsbehörden der Bundesländer, nicht die Bundesanwaltschaft von Monika Harms. Das heißt, dass die rigorosen Razzien gar nicht hätten stattfinden dürfen. Denn nur der Terrorismusverdacht rechtfertigt ein solches Aufgebot. Den 20 Verdächtigten konnte nicht das kleinste Indiz vorgelegt werden, warum ausgerechnet sie an einem Farbeierwurf oder gar einem Brandanschlag beteiligt gewesen sein sollen. Beweise fehlen bis heute.

Was bleibt, ist ein sehr schlechter Nachgeschmack. Haben die Ermittlungsbehörden die Razzien tatsächlich genutzt, nur um wenige Wochen vor Gipfelbeginn mit stasiähnlichen Methoden eine legitime Protestszene zu durchleuchten? Daraus lässt sich nur schließen, dass die Ermittler bis zum Schluss nicht die leiseste Ahnung hatten, wie diese Protestszene tatsächlich tickt.

Über dieses Unwissen der Ermittler kann sich die linke Szene aber keineswegs freuen. Denn wenn Behörden dilettantisch vorgehen, trifft das immer auch Unbeteiligte. Willkür ist im Spiel. Und der Rechtsstaat ist - zumindest für diesen Moment - außer Kraft gesetzt. Von einer ehemaligen Bundesrichterin darf man mehr Rechtsbewusstsein erwarten.

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war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

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