Kommentar Häftlingsaufnahme: Der Preis für Guantánamo

Deutschland hätte schon vor Monaten Bereitschaft signalisieren sollen, Häftlinge aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo aufzunehmen.

Es ist unmoralisch, dass überhaupt darüber diskutiert wird, ob Deutschland bereit ist, Häftlinge aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo aufzunehmen. Eine entsprechende Zusage hätte schon vor Monaten selbstverständlich sein müssen - und zwar nicht, um dem US-Präsidenten Barack Obama einen Gefallen zu tun, sondern als zwingende Konsequenz aus der Verpflichtung, Menschenrechte achten zu wollen.

Es ist pure Heuchelei, einerseits berechtigte Kritik an Menschenrechtsverletzungen zu üben, aber andererseits nicht daran mitwirken zu wollen, dass sich die Zustände ändern. Schlimmer noch: Wer so handelt, macht sich zum Komplizen derjenigen, die das Recht missachten.

Natürlich findet es niemand erfreulich, Leute frei herumlaufen lassen zu müssen, die möglicherweise eine Gefahr für die Allgemeinheit sind. Das gilt übrigens nicht nur für ehemalige Insassen des Gefangenenlagers Guantánamo, sondern auch für andere Verdächtige, seien sie nun Deutsche oder Ausländer. Aber das Recht darauf, so lange als unschuldig betrachtet zu werden, wie Schuld nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, ist ein so hohes Gut, dass eine freie Gesellschaft mit derartigen Risiken leben muss. Deshalb genügt es nicht, nur zur Aufnahme von nachweislich unschuldigen Guantánamo-Insassen bereit zu sein. Auch Verdächtige müssen kommen dürfen - und dann eben notfalls überwacht werden.

Die Häftlinge haben sich nämlich nicht listig einen Weg erschlichen, nach Deutschland zu gelangen, um dort ihr Unwesen treiben zu können. Es sind Männer, die in das Gefangenenlager verschleppt wurden und dort unter Bedingungen festgehalten wurden, die sowohl dem Völkerrecht als auch nationalen rechtsstaatlichen Prinzipien widersprechen. Diesen Männern ist nicht zuzumuten, gegen ihren Willen im Land ihrer ehemaligen Kerkermeister bleiben zu müssen oder gar zwangsweise in ihre Heimat zurückverfrachtet zu werden, wenn ihnen dort Gefahr droht. Ja, einige von ihnen stellen möglicherweise eine Gefahr für ihre Aufnahmeländer dar. Aber das ist dann nicht das Ergebnis einer allzu liberalen Einreisepolitik. Sondern der Preis für Guantánamo.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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