Kommentar SPD-Kanzlerkandidatur: Deutschland sucht den Supersozi

Die Spitze der SPD hat einen kreativen Vorschlag gemacht: Wähler sollen direkt über Kanzlerkandidaten und Abgeordnete entscheiden - eine wenig Erfolg versprechende Idee.

Wenn es nach dem Willen der SPD-Spitze geht, dürfen künftig alle Wähler den Kanzlerkandidaten der SPD und auch deren Abgeordnete bestimmen können. Das klingt frisch, basisdemokratisch und offen. Die Parteiendemokratie leidet ja wirklich unter Abnutzungserscheinungen. Sie ist verkarstet, die Apparate sind überaltert, der Nachwuchs lustlos, nicht nur bei der SPD. Also raus aus den Hinterzimmern - hinaus auf die Bühne, wo das Publikum entscheidet, ob es lieber Gabriel oder Steinmeier will. Was spricht dagegen?

Einiges. Der Versuch, die grau gewordene Parteiendemokratie plebiszitär aufzumöbeln, hat immer etwas Zwiespältiges. Öffnet man die Fenster ganz weit, treibt man damit die schwindende Zahl der Genossen eigenhändig aus dem Haus. Manche werden sich fragen, warum sie Beiträge zahlen und Ortsvereinssitzungen durchleiden, wenn bei den wichtigen Entscheidungen auch Leute ohne Parteibuch mittun dürfen.

Umgekehrt: Wenn man die Hürden für Nichtgenossen zu hoch legt, dann kommt niemand, was auch peinlich ist. Die SPD versucht dies zu lösen, indem sie die Wahl des Parteichefs den Genossen vorbehält - und Nichtgenossen, die für den Kanzlerkandidaten stimmen wollen, ein paar Euro für die Abstimmungskosten zahlen müssen. Ob das funktioniert? Die "Gastmitgliedschaft" für 2,50 Euro Monatsbeitrag, mit der die SPD seit Jahren experimentiert, hat den Mitgliederschwund jedenfalls nicht gestoppt.

Skeptisch stimmt auch die Geschichte der Parteireformen der SPD. Die Idee, die Organisation richtig durchzulüften, tritt zyklisch auf. So werden seit 30 Jahren, stets nach herben Wahlniederlagen, emsig Reformen ventiliert. Bisher waren sie stets Ausdruck der Krise, nie deren Lösung.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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