Kommentar Abchasien und Südossetien: Die EU muss weiter verhandeln

Die Spekulationen über einen neuen russischen Imperialismus haben bislang keine Stütze in den Tatsachen. Es wäre für die EU daher fatal. auf allgemeine Konfrontation überzugehen.

Die Anerkennung Abchasiens und Südossetiens als selbstständige Staaten durch Russlands Präsidenten macht eine Verhandlungslösung in Georgien noch schwieriger, stellt sie doch die vermittelnden Mächte, also die Mehrheit der EU-Staaten, vor vollendete Tatsachen. Immerhin hatte der Sechs-Punkte-Plan der EU Gespräche darüber vorgesehen, wie Sicherheit und Stabilität in Abchasien und Südossetion hergestellt werden könnten. Solche Verhandlungen können jetzt als Einmischung in die inneren Angelegenheiten zurückgewiesen werden. Auch eine durch den Weltsicherheitsrat zu beschließende Friedensmission der UNO liegt jetzt in weiter Ferne.

Präsident Medwedjew hat für die beiden abtrünnigen Staaten das Recht auf Sezession in Anspruch genommen. Er beschuldigt Georgien des versuchten Völkermords an den Südosseten. Damit nimmt er die Völkerrechtsmeinung für sich in Anspruch, bei existenzbedrohenden Angriffen auf eine nationale Minderheit seitens der (hier georgischen) Mehrheit würde aus dem Recht auf selbstbestimmte Autonomie innerhalb des Staates ein Recht auf Abspaltung. Diese Völkerrechtsmeinung ist umstritten, hat aber im Fall des Kosovo zur Anerkennung der Lostrennung seitens der westlichen Staaten geführt. Damit ist ein Präjudiz geschaffen worden.

Die Anerkennung wird zunächst auf Russland und einige befreundete Staaten beschränkt, also - wie im Fall Nordzyperns - ohne rechtliche Wirkung bleiben. Ist der Akt der Anerkennung aber nicht der Auftakt für eine neue generell aggressive Politik der Rückgewinnung von einstmals (sowjet-)russischen Territorien? Will Putin, der neue Zar, wie weiland Zar Iwan Kalita wieder "die russische Erde einsammeln", das heißt, das untergegangene Imperium aufs Neue errichten? Solche Spekulationen haben bislang keine Stütze in den Tatsachen. Zu unterschiedlich sind die Interessen wie die Kräfteverhältnisse zwischen den beteiligten Mächten in jedem der einstmals sowjetischen Territorien. Weshalb Südossetien/Abchasien nicht als Menetekel taugt. Jetzt die Verhandlungen über die Georgienkrise einzustellen und auf eine allgemeine Konfrontationslinie zu Russland einzuschwenken wäre ein fataler Fehler.

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