Kommentar Merkels Atomausstieg: Die FDP ist geliefert

Für Merkel spielt die FDP mit ihren Atomfans keine Rolle mehr. Die Liberalen müssten die Koalition platzen lassen. Doch dann würden sie an der Fünfprozenthürde scheitern.

An die atemberaubende Geschwindigkeit, mit der die Bundeskanzlerin zur Atomkraftgegnerin mutiert, hat man sich mittlerweile gewöhnt. Ihre Entscheidung, den Ausstieg durch die stufenweise AKW-Abschaltung zu beschleunigen, komplettiert dieses Bild. Und wirft ein Schlaglicht auf die Prioritäten Angela Merkels.

Sie zahlt für den gesellschaftlichen Konsens fast jeden Preis, sie müht sich um maximale Einbindung von Ländern und Opposition, obwohl sie nicht müsste. Gleichzeitig spielt im Koordinatensystem Merkels ihr Regierungspartner, die FDP mit ihren Atomfans, keine Rolle mehr.

Für Freidemokraten bricht ohne Atomenergie der Industriestandort Deutschland zusammen, FDP-Chef Rösler versuchte mit aller Macht das Ausstiegstempo zu drosseln. Doch seine Bedenken bügelte Merkel eiskalt ab, mehr noch, sie orientiert sich lieber am Ausstiegskonzept von Rot-Grün.

Merkel hat Schwarz-Gelb bei der Energiewende ad acta gelegt, stattdessen regiert sie mit Schwarz-Rot-Grün. Und erklärt ganz nebenbei, welches Trio bei der nächsten Bundestagswahl den Machtkampf unter sich ausmachen wird.

Der FDP aber führt Merkel vor Augen, dass sie in dieser Koalition nichts mehr zu melden hat - zur Halbzeit der Legislaturperiode und kurz nachdem Rösler versprach, "jetzt liefern" zu wollen. Eigentlich wäre es konsequent, wenn die Freidemokraten die Koalition platzen ließen und auf Neuwahlen hinwirkten.

Doch dieser Ausweg ist der FDP verbaut, muss sie doch fürchten, an der Fünfprozenthürde zu scheitern. Deshalb läuft es für die Partei auf die - mäßig - attraktive Alternative hinaus: Sie regiert als Erfüllungsgehilfin Merkels weiter und rettet sich mit einer Pro-forma-Steuerreform wieder in den Bundestag.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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