Kommentar Klimagipfel: Die Grenzen der Weltdemokratie

Der Klimagipfel von Kopenhagen muss Anlass sein, über neue Strukturen für globale Entscheidungen nachzudenken. Das Konsensprinzip ist gescheitert.

Dass die Klimakonferenz in Kopenhagen ein ziemliches Desaster war, ist keine Frage. Die überfüllte Megaveranstaltung, bei der Beobachter aus- und Protestierer weggesperrt wurden, brachte in ihren kaum mehr durchschaubaren Strukturen keine Fortschritte. In den miserabel moderierten Plenarsitzungen ging es mehr um Verfahrensfragen als um Inhalte. Und die politische Erklärung, auf die sich ein kleiner Teil der Staats- und Regierungschefs in zwei Nachtsitzungen einigte, enthält allgemeine Absichtserklärungen, aber wenig Substanz. Die Klimakonferenz nimmt ein Papier zur Kenntnis, in dem einige Staaten das 2-Grad-Ziel zur Kenntnis nehmen, ohne konkrete Maßnahmen dafür zu formulieren: Das ist das traurige Ergebnis von zwei Jahren Vorbereitung und zwei Wochen Dauerverhandlung.

Viel schwieriger als diese Analyse ist die Frage, welche Konsequenzen das Desaster von Kopenhagen haben muss. Denn selbst wenn die äußeren organisatorischen Mängel gelöst würden, bliebe es dabei, dass den internationalen Klimaverhandlungen fast all jene Strukturen fehlen, die sich auf nationaler Ebene mehr oder weniger bewährt haben: Es gibt keine Gewaltenteilung, keine Repräsentanz, keine Mehrheitsentscheidungen. Alle Entscheidungen fallen im Plenum. Und als ob ein solcher Prozess mit 193 beteiligten Staaten nicht ohnehin schon kompliziert genug wäre, kann eine einzige Gegenstimme jeden Beschluss verhindern. Auch dass die Verhandlungen überhaupt nur in wenigen Wochen auf großen Konferenzen laufen und dazwischen komplett ruhen, ist angesichts der Dringlichkeit des Problems der globalen Erwärmung nur schwer zu begreifen.

Gebraucht würde eine UN-Klimabehörde mit ständigen Vertretern und der Kompetenz, Entscheidungen zwischen den Konferenzen vorzubereiten oder weiterzuentwickeln und einmal Beschlossenes dann auch umzusetzen. Ebenso gehören detaillierte Streitfragen nicht in ein Plenum, sondern in Expertengruppen und im Zweifel vor eine Art internationales Klimagericht.

Doch jeder Vorstoß, der auf effektivere Strukturen zielt, stößt auf erbitterten Widerstand. Schon die Initiative, die Debatte in Kopenhagen zu erleichtern, indem man sie auf eine kleine Gruppe von 30 Ländern begrenzt, führte zu großer Empörung bei jenen, die nicht dabei waren. Und das, obwohl diese Gruppe ziemlich repräsentativ besetzt war und auch Entwicklungsländer sowie die vom Klimawandel besonders bedrohten Inselstaaten vertreten waren.

Auch alle Versuche, bei den Klimakonferenzen vom Einstimmigkeitsprinzip zu einem Mehrheitsquorum zu kommen, scheitern regelmäßig - eben weil es an der Einstimmigkeit fehlt, die für eine solche Entscheidung notwendig wäre, bei der souveräne Staaten einen Teil ihrer Rechte aufgeben.

Kopenhagen muss Anlass sein, über eine Veränderung der Strukturen nachzudenken, nach denen globale Entscheidungen gefällt werden. Nie lag die Lösung für ein globales Problem so klar auf dem Tisch, nie kamen so viele Staatschefs zusammen, nie waren öffentliche Aufmerksamkeit und Erwartungen so groß wie hier. Wenn es selbst unter diesen Voraussetzungen nicht gelingt, im Konsens das Nötige zu beschließen, dann ist das Konsensprinzip gescheitert.

Vor allem nationale Egoismen stehen einer Einigung im Weg. Solange sich ein Land einen kurzfristigen wirtschaftlichen Vorteil davon erhoffen kann, dass es sich Maßnahmen widersetzt, die eine Mehrheit für richtig hält, werden nie alle freiwillig mitmachen.

Ändern lässt sich das nur, wenn eine solche Verweigerung künftig Folgen hat. Solche Sanktionsmittel gibt es schon heute gegenüber vielen Schwellenländern, denen finanzielle und technische Hilfe nur gegen die Zusage eines langsameren CO2-Anstiegs gewährt wird. Bei großen Schwellenländern wie China oder unwilligen Industrienationen wie den USA hilft so etwas natürlich nicht. Hier wirken nur Drohungen etwa mit einem Klimazoll, den Staaten mit einem echten Klimaziel auf Importe aus Staaten ohne klares Klimaziel erheben.

Wirtschaftliche Sanktionen bringen in einer global vernetzten Welt viele Probleme mit sich, leicht umzusetzen wären sie nicht. Doch einfach abwarten, dass die Blockade bei den nächsten Konferenzen weitergeht, ist auch keine Alternative. Die Staaten, die willens sind, das Klimaproblem zu lösen, müssen ernsthaft damit drohen, allein voranzugehen. Und sie müssen sich dagegen schützen können, dass sich andere aus ihrer Verweigerung einen Vorteil zulasten des Rests der Menschheit verschaffen.

Wenn diese Debatte beginnt und am Ende zu neuen Strukturen führt, dann hätte das Kopenhagen-Fiasko zumindest ein positives Ergebnis gehabt: den Anstoß zu geben für eine Weltpolitik, die diesen Namen verdient.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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