Kommentar Rettungskräfte in Fukushima: Die Helden von Fukushima

An den Arbeitern im Atomkraftwerk Fukushima hängt jetzt alles: In dem Moment, im dem sie aufgeben, kennt die Katastrophe wirklich kein Halten mehr.

Die japanische Regierung hat sich ans Ausland - allen voran an die USA - gewandt und angesichts seiner Atomkatastrophe um Unterstützung ersucht. Falls es noch eines Beweises für die völlige Ohnmacht angesichts der gegenwärtigen Situation gebraucht hätte, dies ist er.

Es ist wie ein Eingeständnis der eigenen Hilflosigkeit. Denn für jede Nation gilt, dass solch ein Schritt erst dann gemacht wird, wenn es eigentlich zu spät ist: Erst dann lässt man Nationalstolz, Ehre und Haltung beiseite.

Aber werden die amerikanischen Atomexperten hinfahren? Nicht nur nach Japan, sondern zu den brennenden Reaktoren nach Fukushima? Werden die Amerikaner ihre Leute diesem Risiko aussetzen? Hilfseinsätze sind mit Risiko verbunden. Das kennt jeder Feuerwehrmann oder Polizist. Aber das hier ist etwas anderes.

lehrt Philosophie an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien und ist freie Publizistin.

Jetzt nach Fukushima fahren ist kein Risiko mehr, es ist ein Urteil. Die Frage lautet also richtig: Werden die Amerikaner ihre Leute opfern? Und: Sind diese bereit, sich zu opfern? Mindestens fünfzig japanische Arbeiter sollen noch dort sein, in den Ruinen des Atomkraftwerks, zwischenzeitlich waren es sogar 750 Mitarbeiter.

Wenn die ganze Welt auf die brennenden Atomreaktoren von Fukushima schaut, dann schaut sie auch auf jene fünfzig Arbeiter. Wir wissen nicht, wer sie sind, und kennen ihren Status nicht. In Japans Medien, die eine eigene Art von Transparenz haben, werden sie nicht mit dem Begriff für "Angestellte" bezeichnet, sondern mit jenem für "Angeheuerte".

Das ist kein Hinweis auf mangelnde Kompetenz, sondern auf Nichtzugehörigkeit zur Firma. Was also hält sie dort, wenn es nicht die legendäre japanische Loyalität zur Firma ist? Und: Was können sie überhaupt noch ausrichten?

Man wünscht sich jetzt sehnlichst ein Wissen, ein Expertentum, das den entfesselten Energien Einhalt gebietet. Aber selbst das würde nicht reichen. Es braucht jetzt einen Einsatz, der darüber hinausgeht. Den leisten diese Arbeiter. Die ganze Welt weiß, wie übermüdet diese Menschen sein und unter welchem Stress sie stehen müssen. Wie stark sie den tödlichen Strahlen ausgesetzt sind. Und wie aussichtslos ihr Kampf wahrscheinlich ist.

Dennoch bangen wir darum, dass diese Arbeiter dort bleiben und weiterkämpfen: An ihnen hängt jetzt alles. In dem Moment, wo sie aufgeben, kennt die Katastrophe wirklich kein Halten mehr. Ist ihr Abzug das Zeichen für das endgültige Aufgeben, so ist umgekehrt ihr Ausharren die letzte Hoffnung. Nur sie halten die absolute Katastrophe noch auf. Ob es gelingt - das weiß man nicht. Psychisch gilt das für die Menschen in Japan ganz sicher.

Angesichts dieser Apokalypse gibt es keinen Tauschhandel mehr, bei dem man ein begrenztes Risiko für einen möglichen Sieg einsetzt. Angesichts dieser Katastrophe braucht es einen übermenschlichen Einsatz wie den dieser Arbeiter.

Nicht nur weil ihre Leistung enorm ist, sondern auch weil sie darüber hinaus auch noch ihre Gesundheit und ihr Leben einsetzen. Ohne Begrenzung. Übermenschlich ist es, den eigenen Selbsterhaltungstrieb zu überwinden. Deshalb hängt an ihnen die letzte Hoffnung, die den Japanern noch bleibt. Und deshalb sind diese Arbeiter Helden.

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