Kommentar Attentat von Stockholm: Die reale Gefahr

Weitere Sicherheitsverschärfungen zu fordern ist Angstmache. Deutschland hat woanders Nachholbedarf: der islamistischen Radikalisierung präventiv vorzubeugen.

Was die schwedischen Ermittler über den nur durch Zufall misslungenen Anschlag von Stockholm berichten, ist beunruhigend. Wäre das Selbstmordattentat so abgelaufen, wie es geplant war, hätten viele Menschen sterben können. Zwar gibt es nach bisherigem Stand keinerlei Verbindung des Attentäters nach Deutschland. Aber so viel lässt sich sagen: Grundsätzlich wäre ein solches Attentat auch hierzulande möglich. Das festzustellen hat nichts mit Panikmache zu tun, sondern gehört zu einer nüchternen Einschätzung der Lage dazu.

Ganze sieben islamistische Anschläge wurden in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt vereitelt, manche erst im letzten Augenblick. Die Kofferbomben von Köln etwa zündeten vor vier Jahren nur deshalb nicht, weil die Täter ihre Sprengsätze nicht richtig zusammengebastelt hatten. Und nach allem, was man weiß, sind aus keinem anderen Land in Europa in den letzten zwei Jahren so viele junge Menschen in das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet gereist wie aus Deutschland. Nicht, um Urlaub zu machen - sondern, um gegen die Nato-Truppen zu kämpfen. Die Gefahr, dass einer von ihnen zurückkommt, um hier einen Anschlag zu verüben, ist real. Auch das hat nichts mit Panikmache zu tun.

Bleibt die Frage nach den Konsequenzen. Wer wie manche Unionspolitiker so tut, als wäre eine weitere Verschärfung der Sicherheitsgesetze die einzig logische Antwort auf die Gefahr, betreibt ein Geschäft mit der Angst. Denn seit dem 11. September 2001 wurden die Sicherheitsgesetze schon bis an die Grenze dessen ausgedehnt, was ein Rechtsstaat aushält.

Deutschland hat an einer anderen Stelle Nachholbedarf: der islamistischen Radikalisierung präventiv vorzubeugen. Warum driften junge Männer und Frauen, die hier aufgewachsen sind, in islamistische Gruppen ab? Dafür interessiert man sich in Deutschland immer noch viel zu wenig - auch die Medien und die Sozialforscher. Die Wissenschaft beschreibt schon lange wie selbstverständlich eine "Erlebniswelt Rechtsextremismus", die junge Menschen faszinieren und in neonazistische Kreise ziehen kann. Über die Motive junger Menschen, die sich vergleichbaren islamistischen Gruppen hierzulande anschließen, weiß man dagegen immer noch zu wenig. Ebenso wenig weiß man leider, was unternommen werden kann, um junge Männer und Frauen von dieser zerstörerischen Ideologie abzubringen.

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Jahrgang 1979. War bis 2013 in der taz zuständig für die Themen Rechtsextremismus, Terrorismus, Sicherheit und Datenschutz. Wechsel dann ins Investigativressort der Wochenzeitung „Die Zeit“.

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