Kommentar Die Grünen : Die Selbstverliebten

Mit den linken Programmhighlights sollen die Grünen lediglich als Wohlfühlpartei für die Mittelkasse etabliert werden.

Während sich die anderen Parteien Flügelkämpfe leisten, hört man in diesen Tagen kaum etwas von den Grünen. Sie melden sich geordnet zu Wort, sie streiten wenig, und wenn, dann "konstruktiv". Neben der Ökologie geben sie sich weiterhin linksliberalen Topoi hin, und wollen Kosmetik an den Härten der Krise betreiben. So ist es dem Entwurf zum Programm für die Bundestagswahl zu entnehmen.

Die grünen Parteimitglieder sind sich, auch wenn es außerordentlich viele Änderungsanträge zum Wahlprogramm gibt, im Grunde einig - und auch die Umfragewerte stimmen sie hoffnungsfroh. Um diese nicht zu gefährden, vermeiden sie Koalitionsaussagen, Regieren möchten sie aber schon wieder gern.

Es steht zu fragen, warum diese Partei denn überhaupt noch auf reformlinke Topoi setzt, zumal diese nur notwendig werden, da sie selbst von 1998 bis 2005 mit nahezu dem selben Personal in die andere Richtung gesteuert hat - und bis heute gern betont, wie wichtig und richtig das war?

Nun, der grüne Stammwähler fürchtet um sein Geld, fürchtet aber auch die ökologische Katastrophe und soziale Aufstände. Er ist, auch wenn selbst kinderlos, der Meinung, dass es die Kinder mal besser haben sollten. Und er meint dabei allein die eigenen Kinder - oder die der Freunde. Der grüne Stammwähler ist gern kritisch, solange er über andere redet. Sein Individualismus ist ihm höchstes Gut, denn er kann ihn sich leisten. Er hält sich dennoch für sozial, daher mag er das Parteiprogramm. Er weiß, dass man sich, wenn man Macht hat, nicht mehr unbedingt daran halten muss, was man vorher aufs geduldige Papier geschrieben hat. Die eigenen Leute beruhigt er durch Erfolg, der Rest ist ihm egal.

Das aber darf man ihm niemals sagen, denn sonst verweist er auf seine früheren Leistungen im Asta oder als Ordner auf einer Anti-AKW-Demo. Der grüne Stammwähler hat das Linkssein zu seiner Identität gemacht, aber nicht zu seiner Lebensweise.

Insofern dienen linke Programmhighlights bei den Grünen nicht dazu, in der Klientel der SPD oder gar der Linken zu fischen. Sie dienen nur dazu, die Grünen als Wohlfühlpartei für die neue Mittelklasse zu etablieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

1970 in Gütersloh geboren, lebt in Berlin. Er betreibt mit Kristine Listau den Verbrecher Verlag (den er 1995 mit Werner Labisch gegründet hat) und ist Autor für diverse Zeitungen und Magazine. Er schrieb mehrere Bücher. Zuletzt „Die Sonnenallee" und „11 Berliner Friedhöfe, die man gesehen haben muss, bevor man stirbt".

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.