Kommentar Polizeigewalt: Die Unberührbaren

Anwendung von Gewalt gehört zu den legitimen Einsatzmitteln der Polizei. Aber gerade weil sie dieses Privileg genießt, bedarf es besonderer Kontrollregularien.

Die deutsche Polizei wendet unverhältnismäßig Gewalt an. Sie misshandelt Personen. Und strafrechtliche Ermittlungen gegen Polizeigewalt sind mangelhaft. Das Ergebnis des Berichts, den die Menschrechtsorganisation Amnesty International am Donnerstag vorgestellt hat, könnte kaum härter ausfallen. Zwar listet der Bericht längst bekannte Extremfälle von Polizeigewalt aus den letzten Jahren auf, aber das verdeutlicht nur, wie groß der Handlungsbedarf ist. Und wie groß das Beharrungsvermögen der Polizei.

Dabei müsste vor allem die Polizei selbst ein Interesse an Aufklärung haben. Denn Anwendung von Gewalt gehört zu ihren legitimen Einsatzmitteln. Ohne Gewalt könnten die Beamten Kriminelle allenfalls höflich um Zurückhaltung bitten. Das ist offensichtlich lächerlich. Aber gerade weil die Polizei dieses Privileg genießt, bedarf es auch besonderer Kontrollregularien.

Amnesty International fordert die individuelle Kennzeichnung von Polizisten und die Einrichtung unabhängiger Untersuchungsmechanismen. Ersteres ist notwendig, um uniformierte Schläger zu identifizieren. Letzteres wäre eine überfällige vertrauensbildende Maßnahme. Solange nur Polizei wegen Polizeigewalt ermittelt, muss sich niemand wundern, dass viele Opfer sich nicht einmal trauen, Anzeige zu erstatten. Denn der viel kritisierte Korpsgeist beruht auf einem allzu menschlichen Bedürfnis nach Kollegialität. Und dem kann man nur mit klar getrennten Strukturen begegnen.

Zwar gibt es schon jetzt Ermittlungsverfahren gegen Polizisten, die nicht im Sand verlaufen. Das belegen zwei gerade beendete Prozesse gegen Berliner Beamte, die zu Haftstrafen verurteilt wurden. Solche Urteile aber sind absolute Ausnahmen.

Zudem verdeutlicht gerade der Prozess gegen zwei Bundespolizisten, die vietnamesische Zigarettenhändler drangsaliert und beraubt hatten, den Kern des Problems. Die Beamten hatten offenbar vollkommen darauf vertraut, dass ihnen niemand etwas anhaben kann - weil Opfern von Polizeigewalt sowieso erst mal nicht geglaubt wird.

Zum Glück sind solche Übergriffe die Ausnahme. Deutschland ist kein Polizeistaat. Aber es hat sich eine Struktur herausgebildet, die Straftäter in Uniform schützt. Dabei sollte in einem demokratischen Staat jedem Uniformierten klar sein, dass er sich zivilisiert benehmen muss.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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