Kommentar Agrokraftstoff E10: Die vier von der Zankstelle

Mehr als eine Inszenierung war der "Benzingipfel" nicht – es handelte sich um klassische Symbolpolitik. Gewonnen hat dabei Rainer Brüderle.

Der Sieger heißt: Rainer Brüderle. Mit seinem "Benzingipfel" hat der FDP-Wirtschaftsminister gleich drei Unionskollegen blamiert, nämlich Umweltminister Norbert Röttgen, Verbraucherministerin Ilse Aigner und Verkehrsminister Peter Ramsauer. Sie alle sind für den Agrosprit E10 mindestens so zuständig wie Brüderle, doch getan haben sie nichts. Die drei Unionspolitiker ignorierten einfach, dass Deutschlands Autofahrer gegen E10 rebellierten.

Brüderle ist ein Instinktpolitiker und weiß, wie man sich in Szene setzt. Denn mehr als eine Inszenierung war der "Benzingipfel" nicht. Schon vorher stand fest, dass hinterher nichts herauskommen würde. Es handelte sich um klassische Symbolpolitik. Aber manchmal ist mehr als ein Symbol eben nicht nötig, um bei Wählern zu punkten. Erfolgreich versendete Brüderle das Signal, dass er die Sorgen der Autofahrer ernst nimmt.

Der Verlierer steht ebenfalls fest: Norbert Röttgen. Der Umweltminister ist federführend zuständig für E10, weilte aber im Skiurlaub, als der Agrosprit zum Massenthema wurde. Dieses Missgeschick dürfte schon deswegen nicht vergessen werden, weil es so bequem ist für die restliche Union. Denn es wird ein politisch Schuldiger gebraucht: Die Kommunikationspannen rund um E10 sind so offensichtlich, dass sie sich nicht allein auf die Automobilindustrie abwälzen lassen.

Röttgen ist da der ideale Sündenbock, zumal er längst als Störer gilt. Größter Knaller: Als die Laufzeitverlängerung mit der Atomindustrie verhandelt wurde, war Röttgen nicht dabei. Die Kanzlerin kam ohne ihn aus.

Der "Benzingipfel" zeigt erneut, dass es für Röttgen kein Abstieg wäre, wenn er als Oppositionsführer nach Nordrhein-Westfalen ginge - sondern wahrscheinlich seine letzte Chance.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.