Gaddafi verdankt seine Macht EU-Waffen: Die Zeit arbeitet für Gaddafi

Die Niederschlagung des Aufstands in Libyen wird den historischen Umbruchsprozess in Nordafrika und im Mittleren Osten vielleicht verlangsamen, aber nicht stoppen.

Nachdem die Arabische Liga bei ihrem Treffen in Kairo am Wochenende den UN-Sicherheitsrat dazu aufgefordert hatte, eine Flugverbotszone über Libyen zu verhängen, nahm dieser am Montagnachmittag seine Beratungen zu dieser Frage auf. Eine Entscheidung für die Einrichtung einer Flugverbotszone galt allerdings schon zuvor als höchst unwahrscheinlich: Nicht nur wegen grundsätzlicher völkerrechtlicher Einwände der beiden ständigen Vetomächte China und Russland sowie des sehr gewichtigen, nichtständigen Ratsmitglieds Indien. Sondern auch wegen anhaltender Bedenken seitens der USA und des nichtständigen Mitglieds Deutschland.

Tatsächlich bleiben auch nach dem - keineswegs einstimmig gefassten - Beschluss der Arabischen Liga "noch viele Fragen offen", wie Bundesaußenminister Guido Westerwelle und Vertreter der Obama-Administration unisono feststellten. Die Resolution der Liga ist widersprüchlich, da sie zugleich mit der Forderung nach einer Flugverbotszone "jegliche ausländische Intervention" in Libyen ablehnt. Doch "eine Flugverbotszone ist eine militärische Intervention" - da hat Westerwelle nun mal recht.

Offen ist bislang auch noch, wie sich die drei afrikanischen Ratsmitglieder Nigeria, Gabun und Südafrika verhalten werden, nachdem sich die Afrikanische Union letzte Woche gegen eine Flugverbotszone ausgesprochen hatte. Mit Aufmerksamkeit registriert wird bei der UNO auch, dass das Nato-Mitglied Türkei gestern einen Einsatz der Allianz in Libyen abgelehnt hat.

Doch selbst wenn der Sicherheitsrat wider Erwarten eine Flugverbotszone verhängen würde, hätte dies wahrscheinlich keinen Einfluss auf den Ausgang des Bürgerkriegs in Libyen. Denn um die Durchsetzung eines Flugverbotes vorzubereiten, brauchen die Militärs von USA und Nato zwei bis drei Wochen. Und bis dahin - vielleicht sogar bereits bis Ende dieser Woche - könnten die hoch überlegenen Streitkräfte des Gaddafi-Regimes das ganze Land längst wieder unter ihre Kontrolle gebracht haben. Das verdanken sie ihren Waffen und ihrer Ausrüstung, die vor allem aus Staaten der EU und aus Russland stammen.

Dann kann die "Erkundungsmission", deren Entsendung nach Libyen die EU-Außenminister am Wochenende beschlossen haben, ihren Aufenthalt in Tripolis schon wieder dazu nutzen, eine erneute Normalisierung der Beziehungen zu Gaddafi in die Wege zu leiten. Besser wäre es gewesen, mit einer Öffnung der europäischen Grenzen für Flüchtlinge aus Libyen auf die allgemein bekannte humanitäre Notlage dort zu reagieren.

Die Niederschlagung dieses Aufstands in Libyen wird den historischen Umbruchsprozess in Nordafrika und im Nahen und Mittleren Osten vielleicht verlangsamen, aber nicht stoppen. Die Dynamik der Bestrebungen für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie wird ausnahmslos alle Länder der Region erreichen und deren despotische Regime überwinden. Die westlichen Demokratien können bestenfalls Einfluss darauf nehmen, wie viel Blut in diesem Umbruchsprozess noch fließen muss - und wie viel ihrer Glaubwürdigkeit sie noch verlieren wollen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.