Kommentar Berliner Humboldt-Forum: Ein Schlossplatz wie im Märchen

Die Entscheidung der Berliner Jury für die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses ist ein Alptraum. Jetzt werden die Probleme erst so richtig losgehen. Das ist gut so.

Der Traum von der Rekonstruktion des barocken Berliner Stadtschlosses soll ausgeträumt werden. Die Jury des internationalen Architektenwettbewerbs zum Bau des Humboldt-Forums hat sich mit dem Italiener Francesco Stella dafür keinen besseren Sandmann aussuchen können. Wer die Augen schließt und sich Stellas Entwurf mit seiner Eins-zu-Eins-Kopie der historischen Fassaden, einer historischen Kuppel und noch dazu der Rekonstruktion des Schlüterhofes vorstellt, wird sich der absurden Putzigkeit bewusst, die wir uns da eben geleistet haben. Nein, nicht einmal eine Anmutung des Barocken kam heraus. Es ist statt dessen ein gähnend langweiliger Entwurf eines braven Architekten, eines Erfüllungsgehilfen nostalgischer Idolatrie. Der Entwurf ein Traum? Wohl kaum, es ist der Alptraum!

Doch mit der Radikalität dieser barocken Kopie hat sich ihre Anhängerschaft zugleich die Verunmöglichung ihrer Realisierung eingefangen. Denn der Entscheidung folgt jetzt ihre Zerlegung. Die Frage nach der Ikonographie und der Repräsentationsaufgabe für ein bauliches Symbol des 21. Jahrhunderts in der Mitte der Hauptstadt wird weiter gestellt werden. Dass die ästhetische Moderne - und damit die Gegenwart und Zukunft für ein Bild der Republik - im Zentrum ihren Ausdruck finden muss, wird bald wieder aufs Tapet kommen. Und dass selbst mit viel Handwerkertum dort keine alten Steine gehauen werden, sondern in Beton gegossene Geschichte aufzieht, wird man auch bemerken. Denn das Originale kann gar nicht bezahlt werden.

Die Jury hat entschieden, dass die Probleme am Schlossplatz nun erst richtig losgehen - und das ist auch gut so. Damit böte sich die Chance, gleich das Konzept des Humboldt-Forums ¬- nämlich seine kulturelle Nutzung mittels eines bildungsbürgerlichen Programms aus dem 19. Jahrhunderts - einer Revision zu unterziehen. Es ist richtig, die Mitte kulturell mit hohem Anspruch zu besetzen. Ob dies aber mit den Außereuropäischen Sammlungen - darunter Chiffren des Imperialismus - erfüllt wird? Wohl kaum.

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Rolf Lautenschläger hat Kunstgeschichte und Germanistik studiert. Als Autor und seit 1993 als Redakteur der taz kümmert er sich intensiv und leidenschaftlich um die Themen Stadtplanung und Architektur alias Abriss und Aufbau.

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