Kommentar Rückzug Münteferings: Ende der Machtworte

Die SPD muss offener werden. Müntefering, den manche den Stalin aus dem Sauerland nennen, steht fürs Gegenteil.

Wahrscheinlich gibt es Dinge, die man besser nicht zweimal tut. Zum Beispiel SPD-Chef werden. Franz Müntefering ist schon mal schwer beleidigt als SPD-Chef zurückgetreten. Damals hatte sich die Partei erdreistet, seinen Generalsekretär abzulehnen. Am Schwielowsee putschte Müntefering Kurt Beck aus dem Amt. Jetzt wird er selbst zurückgetreten.

Die SPD hat eine unschöne Neigung, rüde mit ihren Chefs umzuspringen. Wenn was schiefläuft, wird Tabula rasa gemacht. Genutzt hat der SPD dieser Hire-and-fire-Stil nichts.

Doch im Fall Müntefering liegt die Sache jetzt anders. Das Wahlergebnis ist eine Katastrophe. Auch die Auflösung der SPD ist nicht mehr unvorstellbar. Und Franz Müntefering ist Teil des Problems, nicht dessen Lösung. Sein barsch-autoritärer Schnodderton passt schlicht nicht mehr zu einer Partei, die, will sie überleben, sich fundamental neu besinnen muss. Die SPD muss offener, diskursiver, anschlussfähiger werden - Müntefering, den manche Genossen den Stalin aus dem Sauerland nennen, steht für das Gegenteil. Auch sein Führungsstil hat die SPD in diese Bredouille gebracht.

Und nun? Die Partei braucht Zeit und Gelegenheit, sich an der Debatte über ihre Zukunft zu beteiligen. Mit Machtworten geht das nicht. Genau die Machtwortpolitik von Schröder & Müntefering ist ein Kern der SPD-Malaise. Dabei lässt die Art, wie sich Frank-Walter Steinmeier am Wahlabend zum neuen Oppositionsführer ausrief, nicht Gutes ahnen.

Kein Missverständnis. Die SPD braucht keine Tabula rasa, keine komplett neue Führungsriege oder einen Putsch der SPD-Linken. Sie braucht einen weniger bornierten, integrativen Stil. Sie braucht Steinmeier, der Kontinuität verkörpert. Und sie braucht einen Parteichef, der glaubhaft die Öffnung zu Rot-Rot-Grün signalisiert. So einen wie Klaus Wowereit.

Die SPD ist seit Sonntag nicht mehr die dominante Volkspartei, die sich lästigerweise mit Klientelparteien wie Grünen, FDP oder Linkspartei abgeben muss. Das ist altes Denken, Müntefering-Denken. Die Zukunft der SPD hängt davon ab, wie schnell sie dies begreift.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.