Kommentar HRE-Verhandlungen: Erpressung lohnt sich

Großinvestor Flowers versucht einen Maximalpreis für seine Schrottaktien der Hypo Real Estate herauszuhandeln. Er erpresst den Staat - und der lässt sich erpressen.

Faktisch ist die Hypo Real Estate nichts mehr wert. Nichts. Keinen müden Cent. Die Verluste haben das Eigenkapital der Bank aufgezehrt. Übrig geblieben sind nur noch die Schulden, die die Hypo Real Estate bei anderen Banken, Versicherungen und Pensionsfonds hat. Es ist also eigentlich Wahnsinn, dass die Altaktionäre überhaupt eine Entschädigung erhalten. Selbst 90 Cent pro Aktie sind für den Staat teuer, denn insgesamt wären das noch immer fast 200 Millionen Euro. Für nichts.

Hier zeigen sich die Grenzen des Grundgesetzes, das die Möglichkeit einer Enteignung zwar vorsieht - aber nur gegen Entschädigung. Denn die Verfassungsväter dachten nicht an die Verstaatlichung einer völlig wertlosen Pleitebank, sondern an den Normalfall etwa eines Bauern, der sein Feld für eine Autobahn hergeben soll. Da ist es völlig richtig, dass dieser Landwirt zum Marktpreis seines Bodens entschädigt werden muss. Bei einer Konkursbank wie der Hypo Real Estate liegt der Fall völlig anders: Wenn der Aktienkurs jetzt noch immer um rund 90 Cent schwankt, dann ist dies allein den Staatsinterventionen zu verdanken, die sich bisher auf Garantien von 87 Milliarden Euro belaufen. Die völlig bizarre Konsequenz: Der Staat entschädigt die Aktionäre jetzt dafür, dass er vorher so verantwortungsvoll war, sie nicht in die Pleite zu treiben.

Der Höhepunkt in diesem bunten Treiben ist natürlich der US-Investor Flowers, der auch noch versucht, einen Maximalpreis für seine HRE-Schrottaktien herauszuhandeln. Individuell kann man Flowers sogar verstehen: Zu verlieren hat er nichts mehr. Für ihn kann es nur noch aufwärtsgehen - zumal die staatlichen Rettungsaktionen es ja sogar noch wahrscheinlich machen, dass der Wert der HRE-Aktien irgendwann wieder zulegt. Doch objektiv gibt es für Flowers nur ein Wort: Er ist ein Erpresser. Flowers spielt mit dem Wissen, dass der Staat die Hypo Real Estate nicht pleitegehen lassen kann. Doch das war von ihm zu erwarten. Wirklich erschütternd ist, dass sich der Staat erpressen lässt - und nun schon seit Wochen innerhalb der Regierung diskutiert wird, ob man denn tatsächlich enteignen darf. Man darf. Man muss.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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