Debatte Bad-Bank-Gesetz: Erst Geld, dann Hohn

Banken und Versicherungen beuten das Gemeinwesen skrupellos aus. Dabei hilft die Selbstverachtung der Politiker.

Für die Allianz-Aktionäre war 2008 ein gutes Jahr. Mitten in der Finanzkrise haben sie eine Dividende von 3,50 Euro kassiert. So viel gab es bei kaum einem anderen DAX-Konzern. Auch für den Allianz-Vorstand hat sich das vergangene Jahr gelohnt. 26,275 Millionen Euro haben die elf Herren für ihre Anstrengungen als Manager erhalten, wie der aktuelle Geschäftsbericht ausweist.

Angesichts dieser Zuwendungen für Aktionäre und Manager könnte man glauben, 2008 sei ein erfolgreiches Geschäftsjahr für die Allianz gewesen. Irrtum: Kein Jahr in der Firmengeschichte war desaströser. Der offizielle Verlust lag bei 2,4 Milliarden Euro - und das ist die geschönte Version: Die Allianz taumelte am Abgrund; sie drohte mitgerissen zu werden durch eine Pleite der Dresdner Bank, die ihr damals noch komplett gehörte.

Wie kann es also sein, dass die Allianz dennoch riesige Dividenden zahlt? Die Antwort ist schlicht: Letztlich hat der Steuerzahler die Ausschüttungen an die Aktionäre finanziert.

Denn der Allianz gelang ein Coup: Sie wurde die Dresdner Bank rechtzeitig an die Commerzbank los - und kassierte für ihr völlig wertloses Kreditinstitut auch noch 5,1 Milliarden Euro. Zudem konnte die Allianz sicherstellen, dass in den nächsten 15 Jahren an den Schaltern der fusionierten Commerz-Dresdner-Bank nur Allianz-Produkte verkauft werden. Kein Vertriebsweg könnte schöner sein.

Die Profite sind also garantiert, und für die möglichen Verluste kommt der Steuerzahler auf. 18,2 Milliarden Euro benötigte die Commerz-Dresdner-Bank bisher an staatlichen Kapitalhilfen. Und das ist nur der Anfang: Im Bundestag wird gerade das Bad-Bank-Gesetz beraten, das den privaten Banken erlauben soll, ihre toxischen Wertpapiere auszulagern. An diesem Montag findet die Expertenanhörung statt, und fast alle Fachleute sind sich einig, dass diese Bad Banks nur funktionieren können, wenn der Staat ihre Abwicklung übernimmt. Nach der Bundestagswahl, wenn die wütenden Bürger nicht mehr zu fürchten sind, wird also weiteres Steuergeld fließen. Milliarden an Staatshilfen werden noch nötig: Allein bei der ehemaligen Dresdner Bank lagern noch immer toxische Wertpapiere von mindestens 40 Milliarden Euro.

Eigentlich hätte man erwarten können, dass sich die Allianz zumindest dankbar zeigt, dass sie ihre Verluste so erfolgreich sozialisieren konnte. Doch tatsächlich hat ihr Finanzvorstand Paul Achleitner nur Verachtung übrig für den generösen Staat. Das zeigte sich jüngst auf einer Tagung in St. Gallen, wo sich der weltweite Managernachwuchs traf. Vor der selbst ernannten Elite von morgen machte sich Achleitner lustig über die Versuche, die Finanzindustrie zu regulieren. Das seien nur nutzlose "Schönheitsoperationen" von übereifrigen Beamten. Die Botschaft war klar: Der Staat darf die Verluste zahlen, aber ansonsten hat er sich bitte heraushalten aus der angeblich so effizienten Welt der Finanzwirtschaft.

Diese Selbstgefälligkeit ist nur konsequent. Seit Jahrzehnten kann die Allianz darauf vertrauen, dass der Staat sie päppelt. Die Allianz wäre niemals zum weltgrößten Versicherer herangewachsen, wenn sie nicht systematisch durch den Gesetzgeber gefördert worden wäre. So war die Versicherungsbranche bis 1994 streng reguliert. Der Staat gab sowohl die Geschäftsbedingungen wie die Preise vor - womit hohe Margen für die Versicherungskonzerne garantiert waren. Hinzu kamen die Steuervorteile, die bis 2005 auf Kapitallebensversicherungen gewährt wurden und die Millionen von Deutschen animierten, in dieses sehr unvorteilhafte Konstrukt zu investieren. Und neuerdings hat der Staat ein weiteres lukratives Geschäftsfeld für die Assekuranz eröffnet: die Riester-Rente.

Was für die Versicherungskonzerne gilt, trifft noch viel stärker auf die Banken zu: Sie könnten ohne den Staat gar nicht existieren - und verdanken ihm einen großen Teil ihrer Gewinne. Bei der Commerzbank und der Dresdner Bank ist diese Tatsache offensichtlich, denn beide Institute wären ja schon pleite, wenn sie nicht mit Staatsmilliarden gestützt würden.

Aber auch bei der Deutschen Bank, diesem angeblichen Hort der privaten Initiative, kommt der Profit momentan vor allem vom Staat. Die angestrebte Eigenkapitalrendite von 25 Prozent wird weitgehend mit Staatsanleihen erwirtschaftet - und profitträchtig ist natürlich auch, dass der Leitzins bei nur einem Prozent liegt und damit die Refinanzierung fast umsonst zu haben ist. Zugleich sind kaum noch Risiken einzukalkulieren, weil der Staat die meisten Kredite mit einer Garantie versieht. So wird die Krise zum lukrativen Geschäft für die Banken, die sich gleichzeitig freuen können, dass der Staat den Markt bereinigt: Die Fusionen von Postbank und Deutscher Bank sowie von Commerz- und Dresdner Bank vermindern den Wettbewerb, was langfristig die Margen für jede einzelne Bank erhöht.

Gerade weil sie vom Staat so deutlich profitieren, sind die Banker stets bemüht, diesen Effekt zu leugnen. Stattdessen preisen sie die private Finanzwirtschaft als "Wachstumsmotor", der ständig neue "innovative Produkte" entwickle. Diese Lieblingsthese aller Manager hat Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann gerade erst wieder am Donnerstag in Peking verkündet, als sich dort der internationale Bankverband traf. Vehement wehrte er sich gegen jede staatliche Einflussnahme: "Lassen Sie mich unterstreichen, dass wir es als nicht hilfreich empfinden, Reformen etwa auf Themen wie die Größe einzelner Banken (…) auszurichten."

Wie bei Allianz-Finanzvorstand Achleitner wird der Staat zur ahnungslosen Betriebsnudel degradiert, die sich in Finanzangelegenheiten einmischt, welche angeblich nur hoch bezahlte Manager verstehen. Diese Herablassung machen sich die Politiker zu eigen - auch sie trauen dem Staat nichts zu. Deswegen wurde zum Beispiel auf die komplette Verstaatlichung der Commerzbank verzichtet, obwohl nun schon 18,2 Milliarden Euro in ein Institut gepumpt wurden, das an der Börse nur noch rund 6,4 Milliarden wert ist. Für die Banken ist diese Selbstverachtung der Politik also außerordentlich profitabel.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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