Kommentar EU-Wahlen in Italien: Es geht immer noch schlechter

Berlusconis Medienmacht ist einmalig in Europa. Dank seiner totalen Kontrolle über das Fernsehen hat er auch die Deutungshoheit über seine eigenen Skandale.

Ein Ministerpräsident, der sich mit minderjährigen Mädchen trifft, der dann noch das Volk beschwindelt, wenn es um die Umstände dieser merkwürdigen Bekanntschaft geht - in jeder europäischen Demokratie hätte das für einen Rücktritt gereicht. Oder wenigstens für eine deftige Wahlschlappe. Nicht aber in Italien: Dort darf sich Silvio Berlusconi über einen erneuten Sieg freuen. Gewiss, seine Partei "Volk der Freiheit" hat gegenüber dem nationalen Wahltriumph vor einem Jahr zwei Prozentpunkte abgegeben. Zugleich aber legte die mit Berlusconi verbündete fremdenfeindliche Lega Nord um ebenjene zwei Punkte zu.

Machtlos war die Opposition, war die kritische Presse gegen die erdrückende Medienmacht des Premiers, der - ein Unikum in Europa - dank seiner totalen Kontrolle übers Fernsehen die Deutungshoheit auch über die eigenen Skandale in den Händen hält. Machtlos war die Opposition ebenso angesichts einer Wählerschaft, die zu guten Teilen den Regierungschef für seinen, höflich gesagt, moralfreien Stil in Politik wie Privatleben nachgerade bewundert.

Und so sind die wahren Verlierer ausgerechnet die oppositionellen Demokraten (PD). Sie liegen bloß ein Prozent über jener Schwelle, die im Vorfeld parteiintern zum absoluten Minimum erklärt worden war.

Und sie können sich auch nicht über den Erfolg der anderen Oppositionspartei "Italien der Werte" freuen. Die nämlich klagt unter Exstaatsanwalt Antonio Di Pietro einen viel radikaleren Oppositionskurs ein und setzt auf eine weitere Erosion der PD. Damit stehen heftige Auseinandersetzungen bei den Demokraten an, geht der Grabenkrieg zwischen den beiden Oppositionsparteien weiter. Und zugleich wird die aus dem Europarlament verbannte radikale Linke ihre Spaltungen weiter vorantreiben - während Berlusconi fester im Sattel sitzt denn je.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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