Kommentar Vorratsdatenspeicherung: Gesetz kommt - Protest lohnt trotzdem

Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung unterhöhlt Grundrechte. Protest dagegen zeigt, dass Sicherheitsfanatismus Wählerstimmen kostet.

Am Freitag wird die große Koalition beschließen, dass alle Telefon- und Mailverbindungen der Deutschen für ein halbes Jahr auf Vorrat gespeichert werden. Der Bundestag hat zwar ein dazu angefordertes Gutachten immer noch nicht, aber das scheint den Fraktionschefs und der Mehrheit der Abgeordneten egal zu sein. Hauptsache, ein neues Sicherheitsgesetz wird durchgewunken. Dieses Vorgehen war auch schon auf europäischer Ebene erfolgreich, dort war die Vorratsdatenspeicherung im vergangenen Jahr das schnellste Gesetz der EU-Geschichte.

So schnell, so schlecht: Die Vorratsdatenspeicherung unterhöhlt die Grundrechte sowie die Arbeit aller Berufe, die auf Vertraulichkeit angewiesen sind - vom Arzt bis zum Journalisten. Und es ist nur ein weiteres Gesetz in einem ganzen Paket, das den Bürger nun einwebt oder einweben soll: Verbindungen speichern, Telefone abhören, Festplatten ausspionieren, Daten mit Geheimdiensten und anderen Ländern tauschen. Jahr für Jahr werden die Methoden erweitert und deren Anwendung verbreitert. Deshalb ist es gut, dass die interessierte Öffentlichkeit aufgewacht ist und sich die Zahl der Protestierenden erhöht. Das aktuelle Gesetz ist damit nicht mehr aufzuhalten, aber der politische Preis für die Sicherheitsfanatiker muss hochgetrieben werden. Denn Wahlen entscheiden in Deutschland ein paar hunderttausend Wechselwähler, auf Länderebene noch weniger. Den Speicherfans in Union und SPD muss klar werden, dass sie hier ein Sachthema anpacken, das sie Wählerstimmen kosten wird.

Für den aktiven Bürger gilt es nun, den nächsten Schritt zu tun: die technischen Möglichkeiten nutzen, um das Gesetz zu umgehen. Es gibt offensichtlich Geräte und Software, um die Speicherung sinnvoller Verbindungsdaten zu verhindern. Vereine wie FoeBuD oder der Chaos Computer Club bieten schon Handreichungen zur "digitalen Verhütung". Diese werden aber bisher nur von wenigen genutzt. Und dann gibt es ja ein weiteres Feld, auf dem wir ausgespäht werden, meistens sogar mit unserer Einwilligung: von Handel, Industrie und Internetanbietern beim Einkaufen oder Surfen. Auch da können Information und öffentliches Bewusstsein nur gut sein.

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Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.

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