Kommentar Grüne und der Atomausstieg: Grüne sagen Ja zu ihrer Idee

Was in der schwarz-gelben Gesetzesnovelle steht, haben Grüne einst erfunden. Ihr Ja dazu drückt Selbstbewusstsein aus. Statt sich trotzig in der Frontalopposition zu verbuddeln.

Der Grünen-Parteitag hat eine souveräne Entscheidung getroffen, indem er der Grünen-Fraktion empfiehlt, dem Atomausstieg der schwarz-gelben Regierung zuzustimmen. Das ist keineswegs ein "Verrat" an der grünen Idee, wie Kritiker bemängelten, sondern besiegelt deren Triumph.

Denn das, was in der schwarz-gelben Gesetzesnovelle steht, haben Grüne einst erfunden und seit Jahrzehnten gefordert. Ihr Ja dazu drückt Selbstbewusstsein aus. Statt sich trotzig in der Frontalopposition zu verbuddeln, lässt sich die Partei ihr Kernthema nicht aus der Hand nehmen.

Hinter dem Beschluss der Grünen steckt die Einsicht, dass ein schnellerer Atomausstieg politisch nicht möglich ist - und dass eine Politik der kleinen Schritte besser ist als gar keine. Dies ist eine pragmatisch-nüchterne und letztlich sehr politische Haltung.

Dass die Grünen-Spitze dies so schnell erkannt und die Basis ihr zugestimmt hat, zeigt, dass sich die Partei im Geiste wieder darauf vorbereitet, in Berlin mitzuregieren. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass es 2013 zu einer Bundesregierung mit grüner Beteiligung kommt, denn die Partei ist neben CDU und SPD längst zum dritten wichtigen Player der Parteienszene aufgerückt.

Wie die Grünen ihren internen Streit beigelegt haben, ist indes beispielhaft. In einer engagierten Debatte wägten sie das Für und Wider ab bei diesem Herzensthema, das untrennbar mit dem Gründungsmythos der Partei verbunden ist. Der Parteitag war ein Stück aus dem demokratietheoretischen Lehrbuch, an dem sich andere Parteien ein Beispiel nehmen können.

Denn bei Union und Co. entscheidet ausnahmslos die Führung, ob und wie eine der mächtigsten Industrienationen der Welt aus der Atomenergie aussteigt. Und, noch wichtiger, wie sie sich auf erneuerbare Energien umstellt. Diese Frage aber hat eine breite gesellschaftliche Debatte verdient.

Der Atomausstieg ist beschlossene Sache, das Thema mutet bereits gestrig an. Mit ihrem Beschluss haben sich die Grünen auch nicht der Möglichkeit beraubt, für noch frühere Abschalttermine einzutreten. Sicherheitsbedenken könnten sich dabei als wirksamer Hebel erweisen.

Doch dieser Kampf ist nur noch nebensächlich. Mit der Forderung nach einem schnelleren Ausstieg allein lässt sich keine Wahl mehr gewinnen. Mit Ideen und Konzepten, wie der grüne Umbau der Gesellschaft gelingt, hingegen schon.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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