Kommentar Piraterie: Gute Geiseln, schlechte Geiseln

Verlierer der Aufrüstung auf dem Meer vor Somalia werden Seeleute aus den Billiglohnländern sein, die schon jetzt das Gros der Geiseln ausmachen. Das Kernproblem bleibt ungelöst.

In den USA wird seit Sonntagabend nicht nur der befreite Kapitän Richard Phillips gefeiert, sondern auch die US-Marine. Sie hat nicht nur einen von den Medien hochstilisierten "american hero" gerettet, sondern vor allem den somalischen Piraten gezeigt, was eine Weltmacht ist. Dass die Seeräuber nun drohen, an amerikanischen Seeleuten Rache zu nehmen, gilt vielfach als Bestätigung.

Zumal die Drohung kaum Wahrheit werden dürfte: Viel zu sehr sind die Piraten und ihre Hintermänner darauf bedacht, Millionen zu scheffeln. Willkürliche Morde würden dieses Geschäft gefährden. Manch ein Seeräuber ärgert sich ohnehin, dass die vier Piraten vom Rettungsboot mit ihrer Selbstüberschätzung die so lange wegguckenden Amerikaner zum Hinschauen bewogen haben. So ist die wahrscheinlichste Folge, dass die Piraten in Zukunft Schiffe unter US-Flagge weiträumig umfahren werden. Stattdessen werden sie sich auf Schiffe anderer Nationen konzentrieren - vorläufig. Wenn dann auch Deutsche künftig ihre Schiffe mit der GSG 9 stürmen, wie es im Fall der "Hansa Stavanger" angeblich geplant war, werden die Piraten irgendwann aufrüsten - und die Schiffe reicher Handelsnationen mit ihnen. Ein Wettrüsten auf See wäre die Folge.

Die Verlierer stehen bereits fest. Es sind die Seeleute aus Billiglohnländern wie den Philippinen, die schon heute das Gros der 240 Piratengeiseln ausmachen. Kaum jemand kümmert sich um sie. Ihren Regierungen fehlen Geld, Know-how und oft auch politischer Wille zur Befreiung; dem Westen sind sie - wenn sie nicht zufällig an Bord eines europäischen Schiffes sitzen - egal. Damit werden sie die Opfer künftiger Piratenangriffe sein.

Im Kern funktioniert so bereits der Einsatz von derzeit 24 Marineschiffen, die vor Somalia kreuzen. Anstatt das Kernproblem zu lösen, nämlich die Regierungslosigkeit in Somalia, versucht die Armada, jeweils ihre Schiffe vor den Folgen der Anarchie abzuschotten. Das ist wirklichkeitsfern und menschenfeindlich. Denn unter Somalias Anarchie leidet nicht nur die Handelsschifffahrt, sondern eine ganze Bevölkerung. MARC ENGELHARDT

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