Debatte Wilders "Koran-Film": Hassprediger des Westens

Der "Koran-Film" von Geert Wilders war belanglos. Aber der Holländer steht für einen neuen Rechtspopulismus, der in Westeuropa mit dem Feindbild Islam Furore macht.

Nein, blasphemisch war der Anti-Koran-Film von Geert Wilders nicht. So, wie der ermordete Filmemacher Theo van Gogh in seinem Kurzfilm "Submission" einst Szenen von misshandelten Frauen mit Zitaten aus dem Koran untermalt hatte, um einen ursächlichen Zusammenhang zu behaupten, montierte der holländische Politiker in "Fitna" nun Bilder von islamistischen Terroranschlägen mit aggressiven Passagen aus dem Koran. Dass sich islamistische Hassprediger und Attentäter in ihrem Wahn auf den Koran berufen, wussten wir allerdings schon. Geert Wilders will darüber hinaus suggerieren: Zwischen solchen Fanatikern und Ali Normalmuslim gibt es keinen Unterschied. Doch selbst davon fühlte sich kaum jemand provoziert, denn auch dieses Vorurteil hat man einfach schon zu oft gehört.

Geert Wilders steht für das Phänomen eines neuen Rechtspopulismus, der vor allem mit antiislamischer Stimmungsmache auf Stimmenfang geht. Die alte Rechte hegte ihre Ressentiments noch gegen alle Minderheiten gleichermaßen, ob Schwule, Juden oder Muslime. Die neue Rechte, deren Konturen sich heute in fast allen westlichen Ländern abzeichnen, richtet ihre Abneigung exklusiv gegen Muslime. Homophobie und Antisemitismus unter Muslimen malt sie sogar in den düstersten Farben aus, nur um sich selbst in umso helleres Licht zu rücken. Und sie begreift sich als "pro-amerikanisch" und "pro-israelisch", betrachtet sie beide Länder doch als Speerspitze im Kampf gegen "den Islam". Schließlich trumpfen sie militärisch auf, während das alte Europa angeblich nicht mehr als laue Diplomatie zu bieten hat.

Geert Wilders ist ein Prototyp dieser neuen Rechten: ein extremer Israel-Fan und unermüdlicher Kämpfer gegen "den Islam", der in seinem Eifer und seinem eitlen Gebaren fast wie eine Karikatur seiner selbst wirkt. Ernst nehmen sollte man ihn dennoch - weniger wegen seines belanglosen Internet-Kurzfilms als aufgrund seiner politischen Vorstellungen, mit denen er und acht seiner Mitstreiter immerhin ins holländische Parlament in Den Haag gewählt wurden. So fordert Wilders nicht nur ein Verbot des Korans, den er als "faschistisches Buch" ansieht. Wilders Partei tritt auch für einen mehrjährigen Einwanderungsstopp für Türken und Marokkaner ein, er will neue Moscheen oder islamische Schulen verbieten und die "Rückführung" von Muslimen befördern. Es ist ein eigentümlicher Freiheitsbegriff, den seine "Partei für die Freiheit" da vertritt. Zu viele Freiheiten für Muslime lehnt sie jedenfalls ab.

Wenig überraschend ist, dass Wilders mit seinen Forderungen bei Rechtsextremen alter Schule auf Gegenliebe stößt, obwohl er öffentlich zu ihnen Distanz hält. Und es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Rechtsextreme in Tschechien seinen Film veröffentlichen wollten. Das Feindbild Islam verbindet heute die alte Rechte wie Frankreichs Front National oder den belgischen Vlaams Belang mit modernen Rechtspopulisten wie Italiens Lega Nord, der Schweizerischen Volkspartei (SVP), Österreichs FPÖ oder der Dansk Folkeparti, die sich einen bürgerlich-marktliberalen Anstrich geben und darum salonfähiger sind.

Ihre Stichworte leihen sie sich bei Bestseller-Autoren wie der verstorbenen Oriana Fallaci oder Ayaan Hirsi Ali, die aufgrund ihrer muslimischen Herkunft als besonders glaubwürdige "Islam-Kritikerin" gilt. So erregte die FPÖ-Politikerin Susanne Winter über Österreich hinaus Aufsehen, als sie den Propheten Mohammed einen "Kinderschänder" nannte; mit den gleichen Worten wurde einst Hirsi Ali in den Niederlanden berühmt. Heute spricht Hirsi Ali davon, der Westen befinde sich in einem "Krieg gegen den Islam". Geert Wilders, mit dem sie im holländischen Parlament einst in der gleichen Regierungsfraktion saß, sieht das ganz genau so.

Zum Teil gleichen sich die Angstszenarien der Islam-Apokalyptiker bis aufs Wort. So schrieb der deutsche Islam-Alarmist Henryk Broder jüngst, die Europäer merkten gar nicht, "was für eine Tsunami-Welle auf sie zurollt". Von einem moslemischen "Tsunami" hatte kurz zuvor Geert Wilders gesprochen. Und bald darauf warnte auch die FPÖ-Politikerin Susanne Winter vor einem "islamischen Einwanderungs-Tsunami".

Die islamophoben Parteien gleichen derweil ihre Forderungen aneinander an. Gegen einen EU-Beitritt der Türkei sind sie ohnehin alle, doch nun kämpfen sie auch zu Hause gegen die drohende "Islamisierung Europas". So startete die Schweizer SVP im Mai 2007 eine Initiative für ein Referendum, um ein generelles "Minarett-Verbot" in die Verfassung der Schweiz zu schreiben. In Österreich haben die zwei konkurrierenden rechtspopulistischen Parteien, die FPÖ und Jörg Haiders BZÖ, diesen Vorschlag übernommen und im Bundesland Kärnten jüngst schon in ein Gesetz umgesetzt.

Auch in Deutschland gibt es Vorbehalte gegenüber Muslimen. Doch im Unterschied zu vielen Nachbarländern fehlt es hier bislang an einer Partei, die sich solcher Stimmungen offensiv zu bedienen wüsste. Für eine Volkspartei wie die Union empfiehlt es sich einfach nicht, allzu minderheitenfeindliche Töne anzuschlagen, wie kürzlich Roland Koch bei den Wahlen in Hessen erfahren musste. Die FDP ist wohl doch zu wertliberal, um der rechtspopulistischen Versuchung zu erlegen, und die NPD zu extrem, um bürgerliche Wähler anzusprechen. Bleibt also noch Raum für einen deutschen Geert Wilders.

"Würde Wilders dasselbe über Juden sagen, was er über Muslime von sich gibt, dann wäre er schon längst des Antisemitismus angeklagt worden", ließ der jüdische TV-Produzent Harry de Winter, eine Woche bevor Wilders seinen Film im Netz lancierte, in der niederländischen Zeitung Volkskrant verlauten. Auch wenn man diesen Vergleich mit dem Antisemitismus nicht ziehen mag, gibt es keinen Grund, das Gerede von Wilders & Co zu verharmlosen. Schließlich sind auch Ressentiments gegen Muslime schon oft genug in Gewalt umgeschlagen. Muslime seien allesamt Terroristen, bildungsfeindlich und primitiv, zudem vermehrten sie sich "wie die Ratten" (Oriana Fallaci). Mit solchen Argumenten haben radikale Hindus in Indien, extremistische Siedler in Israel oder nationalistische Serben und Russen oft genug Gewalt gegen Muslime legitimiert, ob in Bosnien, Tschetschenien oder anderswo.

Geert Wilders beschwichtigt gerne, er habe "nichts gegen Muslime", sondern nur "gegen den Islam", der eine "faschistische Ideologie" sei. Seine politischen Forderungen strafen solche Ausflüchte allerdings Lügen, weil aus ihnen eine Ideologie der Ungleichheit spricht. Konsequenterweise fordert seine Partei, den Gleichheitsgrundsatz aus der niederländischen Verfassung zu streichen.

Auch wenn es in Deutschland bislang keine Partei gibt, die ähnlich absurde Forderungen wie Wilders erhebt, ist es zu früh, Entwarnung zu geben. Geifernde Polit-Blogs und andere Hassprediger des "freien Westens" haben einem Populisten wie ihm auch hierzulande längst den Boden bereitet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.