Kommentar Serbien: Hoffen auf den Vernunftsieg

Der Nationalist Nikolic war bei der Präsidentschaftswahl erfolgreich, weil er die Armen mit populistisch-sozialischer Rhetorik umgarnt. Wer ihn wählt, gibt seiner Hoffnungslosigkeit Ausdruck.

Die Präsidentschaftswahlen in Serbien finden im Schatten der abtrünnigen südserbischen Provinz Kosovo statt, die im Frühjahr die Unabhängigkeit ausrufen wird. Beide Kontrahenten, der prowestliche amtierende Präsident, Boris Tadic, und sein nationalistischer Herausforderer, Tomislav Nikolic, schwören, die Unabhängigkeit des Kosovo niemals anzuerkennen. Nikolic geht nur einen Schritt weiter und macht die europäischen Integrationsprozesse Serbiens von der Kosovo-Frage abhängig. Das aber war nicht ausschlaggebend für seinen klaren Etappensieg.

Nikolic ist es gelungen, die Millionen verarmter, unzufriedener, hoffnungsloser Wähler für sich zu gewinnen: die Transitionsverlierer, die Arbeitslosen. Menschen also, die ihren Kindern keine neuen Kleider kaufen können, perspektivlose Jugendliche, die im Krieg und in internationaler Isolation aufgewachsen sind, Rentner, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Anstelle einer nationalistisch-extremistischen Rhetorik hat Nikolic diesmal vorwiegend auf populistisch-sozialistische Parolen gesetzt. Die Rechnung ging auf.

An die voreiligen Versprechen seitens der pro-europäischen Politiker, dass mit der Öffnung nach Europa Milch und Honig nach Serbien fließen würden, glauben mittlerweile immer weniger Menschen. Denn seit der Wende vor fast acht Jahren sinkt der Lebensstandard kontinuierlich, während die Preise und die Arbeitslosigkeit steigen. Auch die Präsenz westlicher Unternehmen in Serbien, die unzähligen Banken etwa, die halsabschneiderische Zinsen anbieten, hat die Lebensbedingungen der meisten Serben nicht verbessert. Wenn Tadic in seinen 1.000-Dollar-Anzügen von der Prosperität Serbiens in der EU spricht, so erscheint das den schäbig gekleideten, vom Existenzkampf müden Menschen als weit entferntes Wunschdenken.

Nikolic Wähler bewegt nicht rationales Denken, sondern Macht- und Hoffnungslosigkeit. Mit dem bescheidenen Radikalenführer können sie sich identifizieren. Er spricht nicht vom unbekannten, europäischen Schlaraffenland, sondern verspricht Veränderungen heute und jetzt in Serbien. Tadic bleibt die Hoffnung, dass letztendlich die Vernunft in Serbien siegen wird.

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