Kommentar Hausdurchsuchungen S21: Ideologen, ruhig Blut!

Hausdurchsuchungen unter einer grünen Regierung sind per se kein Skandal. Wenn der Verdacht schwerer Gewalttaten im Raum steht, muss die Zivilgesellschaft bem Aufklären helfen.

Vorsicht, Ideologieverdacht: Die Polizei durchsucht Büro und Wohnung eines Stuttgart-21-Gegners, und das ausgerechnet unter der neuen grün-roten Landesregierung! Wer nun jedoch einen Skandal wittert, weil auch unter einem grünen Regierungschef linke AktivistInnen kriminalisiert würden, urteilt vorschnell.

Denn Hausdurchsuchungen in diesem Fall sind legitim. Die Polizei ermittelt nach einer Schlägerei zwischen einem Demonstranten und einem Zivilpolizisten, der - das sagt die Behörde - schwere Kehlkopfverletzungen davontrug. Die Bahnhofsgegner schafften es in gut zwei Wochen nicht, Filmmaterial der Szene zur Verfügung zu stellen.

Nun kann Misstrauen gegenüber der Polizei durchaus angebracht sein, bei Demonstrationen neigt sie nicht selten zur Dramatisierung, auch Einschüchterungstaktiken oder Vertuschung sind ihr nicht fremd. Wenn aber der Verdacht einer schweren Gewalttat im Raum steht, ist die Zivilgesellschaft verpflichtet, bei der Aufklärung zu helfen. Und die Aktivisten sind gut beraten, an ihrer Distanz zu möglichen Gewalttätern keine Zweifel aufkommen zu lassen.

Und die Grünen? Sie geraten durch Konflikte wie diesen keineswegs in unlösbare Dilemmata. Zwar haben sie als aus der Protestbewegung gewachsene politische Kraft historisch ein schwieriges Verhältnis zur Polizei. Doch dies ist längst einer pragmatischen Haltung gewichen. Heute plaudern grüne Bürgermeister munter in Interviews daher, manchmal sei Repression eben angesagt. Und innenministertauglich fühlt sich die Partei längst, auch wenn sie dieses Ressort noch nie besetzt hat. Man wird die Grünen irgendwann daran messen müssen, ob sie es schaffen, Polizeiapparate zu Transparenz und deeskalierendem Vorgehen zu verpflichten - doch dafür ist es jetzt noch zu früh.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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