Kommentar Pro-Atom-Demo: Im Blaumann zur Kundgebung

Der Energiekonzern RWE gibt allen Auszubildenden frei, damit sie in Biblis auf eine Atomkraft-Jubeldemonstration gehen können. Das ist fast so wie damals in der DDR.

"Das ist wie damals in der DDR!" Solche Vergleiche liest man 20 Jahre nach dem Mauerfall wieder häufiger. Meistens sind sie unsinnig, und die Autoren verraten, dass sie eben nicht in der DDR gelebt haben. Und selbst bei jenen, die einst im Arbeiter-und-Bauern-Staat lebten, ist die Erinnerung verblasst - weshalb es ratsam ist, sparsam mit solcherlei Vergleichen umzugehen.

Manchmal aber bleibt nichts anderes als ein solcher Vergleich: Die RWE schickt ihre Auszubildenden auf eine Pro-Atom-Demo nach Biblis. Das ist wie bei den 1.-Mai-Kundgebungen der SED: Wirklich gezwungen, dort hinzugehen (und obendrein dieses kratzende FDJ-Blauhemd zu tragen), wurde niemand. Wer aber nicht hinging, kam auf die Liste.

So wie seinerzeit bei den Kundgebungen Lügen über den imperialistischen Klassenfeind aufgetischt wurden, so tischt nun die RWE Lügen auf. "Politiker und Regierung entziehen unserer Arbeit langsam, aber sicher den Boden", heißt es im Demo-Aufruf, ganz konkret gehe es um "unseren Standort Biblis", dem nächstes Jahr das Aus drohe. Die Wahrheit ist: Das RWE-Management selbst hat vor zehn Jahren einen Vertrag mit der Politik ausgehandelt, nach dem Biblis eigentlich schon 2007 vom Netz hätte gehen müssen.

So wie einst die SED versucht nun die RWE, die öffentliche Meinung zu fälschen. Die Jugend steht hinter Partei und Sozialismus, interpretierten die SED-Sprachrohre damals die gestellten Bilder. Die RWE versucht nun die Aussage hinzubekommen: Die Jugend Deutschlands steht hinter der Atomkraft. Das ist umso dreister, als einen Tag nach der RWE-finanzierten Demo die Anti-Atom-Bewegung nach Berlin mobilisiert. Allerdings hat das alles auch sein Gutes: 20 Jahre nach dem Mauerfall kann die Öffentlichkeit beweisen, dass sie sich nicht so leicht hinters Licht führen lässt wie einst in der DDR.

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Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.

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