Kommentar Finanzkrise: Im Irrenhaus

Die zur Eindämmung der Wirtschaftskrise vorgeschlagenen Maßnahmen sind haarsträubend. Statt den Konsum anzukurbeln, muss auf Nachhaltigkeit umgestellt werden.

Die Industrieländer stecken zum ersten Mal seit der Ölkrise in den 70er-Jahren gemeinsam in einer Wirtschaftskrise. Das stellte am Donnerstag offiziell die OECD fest, die Organisation der reichen Länder. Die Krise wird die Arbeitslosigkeit um knapp 2 Prozentpunkte hochtreiben, so die Experten. Damit nicht das gesamte Wirtschaftssystem zusammenbricht, gehen öffentliche Mittel in dreistelliger Milliardenhöhe an Finanzkonzerne: ein veritabler Schock also. Und praktisch alle Verantwortlichen aus Wirtschaft und Politik fordern nun entschlossene Reformen, damit wir schnell wieder aus der Misere herauskommen.

Genau hier beginnt das Problem. Denn die vorgeschlagenen Maßnahmen sind haarsträubend. Der Konsum müsse dringend wieder angeworfen werden, etwas Klügeres fällt allen nicht ein. Das ist ein unfassbarer Tunnelblick bei den Eliten dieser Welt. Der Massenkonsum, noch dazu einer auf Pump, hat uns doch gerade in den Schlamassel hineingeritten. Nun soll noch mehr Konsumismus wieder heraushelfen. Wenn die überschuldeten US-Amerikaner gerade ein wenig unpässlich sind, dann müssen eben die Chinesen oder Inder einspringen und den Verbauch von Gütern wieder ankurbeln, so der Gedanke.

Nachhaltigkeit wird erneut als Luxus abgestempelt, die Europäische Union verwässert ihre Klimaziele weiter, die Deutschen fördern den Absatz von Autos, die endlich keiner mehr haben will. Und die Internationale Energieagentur IEA mahnt in ihrem aktuellen Bericht, die Investitionen in die Ölförderung von jetzt 390 auf 600 Milliarden Dollar im Jahr zu erhöhen, damit weiterhin billiges Öl die Weltwirtschaft schmiert. Es ist wie im Irrenhaus.

Natürlich kann sich die Weltwirtschaft nicht in wenigen Jahren umstellen auf doppelte Effizienz, auf erneuerbare Energien und umfassenden Naturschutz. Aber es muss doch endlich einmal damit angefangen werden. Dafür braucht es Forschungen, Experimente, Ökosteuern (Öl ist schon wieder viel zu billig), langsame Überzeugung. In einer Krise kann erfahrungsgemäß ein neuer Weg eingeschlagen werden. Aber es sieht so aus, als würde auch die beste denkbare Gelegenheit nur dazu genutzt, sie verstreichen zu lassen.

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Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.

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