Pro und contra SPD: Ist die SPD noch zu retten?

Die SPD hat derzeit weder die Visionen noch die Personen, die für den Wähler überzeugende Antworten liefern. Wird sie sich aus dem Tief befreien können?

Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hofft auf das Prinzip Zufall. Bild: dpa

Pro

Solange die SPD sich hauptsächlich mit Positionen identifiziert, die sie auf gewisse Weise schon erkämpft und durchgesetzt hat, wird sie - auch wenn das sicherlich undankbar ist - weiterhin als zunehmend überflüssig betrachtet und von den Wählern ignoriert werden.

Besitzstände verteidigen zu wollen, davon leben die konservativen Gruppierungen, vor allem Linke und Union. Die Erneuerung, die die SPD zu Recht der Gesellschaft abverlangt, muss endlich die Partei selbst erfassen: als eine Organisation, die fünfzig Prozent ihrer Mitglieder verloren hat und deren Altersdurchschnitt dem Deutschlands in zwanzig Jahren entspricht, bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich heute schon neu zu erfinden. Denn in der SPD bilden sich Deutschlands Probleme so deutlich ab, wie nirgendwo sonst. Die Sozialdemokratie muss sich von einer Verwaltung zu einem Kongress des 21. Jahrhunderts verwandeln, der entscheidende Fragen diskutiert: Wie und wovon leben wir im Jahr 2039? Was können wir tun, um aus der ökonomisch-ökologisch-demografischen Krise, die sich nur noch verstärken wird, nicht einfach nur schlechter und ärmer hervorzugehen, sondern anders?

Wie immer die Antworten lauten - langfristige Ziele erreicht man nur über Nachhaltigkeit: ökologisch, ökonomisch und sozial. Nachhaltigkeit erfordert aber nicht Monothematik und Dominanz, sondern Bildung von Allianzen und Partnerschaften.

Nur eine politische Interessengemeinschaft, der es gelingt, den Gedanken der Kooperation über den an die eigene Partei und ihren Machterhalt zu stellen, wird zukünftig erfolgreich Politik organisieren und den Überdruss der Bürger an den nur sich selbst verpflichteten Parteien überwinden. Auf allen politischen Ebenen werden Dreier-, sogar Viererbündnisse immer wahrscheinlicher: Partner, die sich auf Augenhöhe begegnen. Als Manager solcher Allianzen kann ich mir nur arbeitsame, uneigennützig agierende und selbstkritische Politiker vorstellen. Mit anderen Worten: gute Sozialdemokraten.

Steffen Kopetzky ist Autor und im Stadtrat von Pfaffenhofen

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Contra

Das Führungspersonal bleibt eisern bei seiner Linie, nichts zu verändern, bloß keine Personaldebatte zu führen, auch wenn der auf viele wie sediert wirkende Steinmeier mit seiner Politik der großzügigen Gaben für die Wirtschaft von den Wählern nicht belohnt wurde. Müntefering weicht auf die Fußballrhetorik aus und bedauert, dass die SPD kein schnelles Anschlusstor geschossen habe. Er hofft also fest und unverbrüchlich auf das Prinzip Zufall. Aber wer soll die Tore schießen?

Wären die Parteien den Bedingungen einer Profiliga unterworfen, für keinen aus der SPD würde ein ausländischer Verein auch nur einen müden Euro ausgeben. Hatte Willy Brandt noch so etwas wie Charisma und Herbert Wehner den stalinistischen Charme eines Ausputzers, bei dem keiner der heutigen SPDler den Mund hätte aufmachen dürfen, weil - wie Wehner wusste - sie viel zu dumm wären, so hat niemand in der SPD-Spitze so etwas wie Ausstrahlung.

Die Gesellschaft hat sich seit den SPD-Ikonen grundlegend geändert, mit dieser Entwicklung hat die SPD nicht Schritt halten können, entwickelt hat sich nur ihre bürokratische Seite, die blasse Gestalten wie Steinmeier hervorbringt, dessen Buch "Mein Deutschland" ein erschütterndes Dokument der Mittelmäßigkeit ist, durch das er sicherlich eins erreicht hat: das Grauen davor, in seinem Deutschland leben zu müssen, zu erzeugen. Steinmeier versucht, noch langweiliger und unsexier zu sein als Angela Merkel, aber das ist ein aussichtsloses Unterfangen. Das einzig Gute, das sich über die SPD sagen lässt: Sie hat keine "Vision". Sie doktert an den Symptomen herum, rettet ein wenig Opel, pumpt Milliarden in Banken und versucht, nicht unter 20 Prozent zu rutschen.

Wer will eine so ambitionierte Partei retten? Dennoch: Die SPD ist nicht totzukriegen. Sie wird noch lange vor sich hin stümpern und so tun, als wäre sie eine Volkspartei, aber in Zeiten der Krise schrumpft ihre Wählerbasis rasant. Und Arbeitslose haben keinen Grund, die Hartz-IV-Partei zu wählen.

Klaus Bittermann ist Autor und Verleger der Edition Tiamat

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