Kommentar Entwicklungshilfe: "Ja, es besteht Reformbedarf"

Die taz kritisierte Heidemarie Wieczorek-Zeul, sie verschwende Steuergelder für eine unnötige Bürokratie. Eine Replik.

Si TAZuisses! (Hättest du geschwiegen, taz)

Die taz schreibt in ihrer Titelstory vom 21. 9. wenigstens einen sehr wahren Satz: "Entwicklungshilfe ist ganz sicher für eines nicht gedacht: für Bürokraten." Damit hört es aber auch schon auf. Ansonsten werden Tatsachen auf den Kopf gestellt. Schließlich wurden seit 1998, also in meiner Amtszeit, die Reformen in der deutschen Entwicklungspolitik entscheidend vorangetrieben.

Der deutsche Beitrag zur weltweiten Entwicklung ist international hoch geschätzt, nicht nur bei Experten, sondern gerade auch bei unseren Partnern in den Entwicklungsländern. Nur einige Beispiele: Der Anteil am eigenen Bruttonationaleinkommen, den Industriestaaten für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben, lag 1998 bei gerade einmal 0,26 Prozent. 2009 erreichen wir voraussichtlich 0,41 Prozent. Ich habe durchgesetzt, dass endlich ein klarer Zeitplan vereinbart wurde: Für 2010 wollen wir 0,51 Prozent und 2015 endlich die 0,7 Prozent erreichen. Deutschland war damit 2008, wie auch schon 2007, weltweit zweitgrößter Geber in der Entwicklungszusammenarbeit - nach den USA und noch vor Großbritannien, Frankreich und Japan.

Gerade strukturelle Fragen spielten eine bedeutende Rolle in den vergangenen elf Jahren. Bereits 1999, beim G-8-Gipfel in Köln, initiierten wir die Entschuldung von hochverschuldeten, armen Entwicklungsländern. Insgesamt wurden bisher 115 Milliarden US-Dollar erlassen. 24 Länder haben bislang volle Entschuldung enthalten. Nach Abschluss der Initiative werden fast alle hochverschuldeten Entwicklungsländer gegenüber Deutschland schuldenfrei sein.

Mit der Entschuldung haben wir gleichzeitig die neoliberalen Strukturanpassungsprogramme der Weltbank beendet und schrittweise die Weltbank auf Armutsbekämpfung und erneuerbare Energien umorientiert. Ohne unser Engagement gegen den früheren Präsidenten Wolfowitz wäre die Weltbank heute in einer schweren Krise und damit nicht in der Lage, die wichtigen Aufgaben zu leisten, die gerade in der Finanzkrise zu leisten sind. Deutschland gehört zudem zu den weltweit führenden Geberländern im Bereich des Mikrokreditwesens. Allein das Entwicklungsministerium setzt pro Jahr circa 130 Millionen Euro ein und unterstützt Mikrofinanzprogramme in 63 Ländern. Damit erreichen wir rund 50 Millionen Menschen. Wir haben zudem die Zahl der Partnerländer von rund 120 Partnerländern 1998 auf nunmehr 58 reduziert. Weniger Bürokratie, internationale Arbeitsteilung - und dadurch mehr Handlungsspielraum in den einzelnen Ländern, so stehen wir heute da.

Dies alles hat dazu beigetragen, dass die internationalen Anstrengungen zur Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele Fortschritte zeigen. Der Anteil der Menschen in extremer Armut ist weltweit von über 30 Prozent im Jahr 1990 auf 19,2 Prozent im Jahr 2007 gesunken. Der Anteil von Menschen mit Zugang zu sauberem Trinkwasser ist weltweit von 70 Prozent im Jahr 1990 auf 83 Prozent im Jahr 2007 gestiegen. Wiederum ist Deutschland einer der drei größten bilateralen Geber im Wassersektor weltweit. Diese Liste ließe sich fortsetzen: Kampf gegen Genitalverstümmelung, Einsatz für Erneuerbare Energien in Entwicklungsländern, Korruptionsbekämpfung, zivile Friedenssicherung, Bildung, Ernährungssicherung.

Bei all dem spielte und spielt auch die Institutionenreform der deutschen Entwicklungszusammenarbeit eine gewichtige Rolle. Gerade hier hat es in der Vergangenheit große Fortschritte gegeben. Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) wurde in die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) integriert, die Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung (DSE) und die Carl Duisberg Gesellschaft (CDG) wurden zur Internationale Weiterbildung und Entwicklung GmbH (InWEnt) zusammengelegt. Auf mein Betreiben hin gibt es mittlerweile 42 Deutsche Häuser in den Entwicklungsländern, in denen unsere Durchführungsorganisationen wie die GTZ oder KfW die deutsche Entwicklungszusammenarbeit aus einem Guss vertreten. Zudem wird gerade eine unabhängige Evaluierungsinstitution zur einheitlichen Bewertung aller Durchführungsorganisationen errichtet.

Im Koalitionsvertrag von 2005 ist die bessere Verknüpfung von finanzieller und technischer Zusammenarbeit festgeschrieben. Ich selbst und das ganze Ministerium haben konsequent diesen Prozess angepackt. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) war stets die treibende Kraft. Mit Wirtschaftsminister Glos, Finanzminister Steinbrück und Kanzleramtsminister de Maizière hatten wir bereits 2007 eine grundsätzliche Einigung erzielt.

Dann beherrschte das Thema Deutsche Industriebank (IKB) die Arena und es war nicht möglich, das geplante Konzept, von dem die KfW zentral betroffen ist, umzusetzen. Das hat nichts mit angeblichen "mächtigen Lobbygruppen" zu tun. Wer mich kennt, der weiß, dass mich so schnell nichts einschüchtert. Wegen der IKB fehlte schlichtweg der politische Spielraum für eine Reform unter Einbeziehung der KfW. Als es diesen Spielraum wieder gab, ist die Reform letztlich am Widerstand des neuen CSU-Wirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg und damit des Koalitionspartners gescheitert. Aber der taz-Autor Gordon Repinski stellt sich das Regieren in einer Koalition so vor: Eine Ministerin legt eine Reform auf den Tisch und alle nicken zustimmend. Ein absurdes Verständnis von Demokratie.

Der Reformbedarf besteht weiter und die nächste Regierung wird dies ganz konkret festschreiben müssen. Die Erfolge der vielen engagierten Menschen in Deutschland und in unseren Partnerländern aber pauschal als gescheitert abzustempeln, ist schlichtweg falsch. So wenig wie die Entwicklungspolitik ineffiziente Bürokraten braucht, braucht sie unsachliche Polemik.

Übrigens: Dass die taz durchaus unsere Erfolge registriert hat, zeigt ihre grandiose Berichterstattung über die Erfolge unseres Zivilen Friedensdienstes (ZFD) vor wenigen Wochen.

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