Kommentar Mindestlohn: Kanzlerin in der Klemme

Um nicht die Schelte dr Parteirechten ertragen zu müssen, entschied sich Angela Merkel vor Monaten gegen einen generellen Mindestlohn. Das rächt sich nun - für sie und die CDU.

Angela Merkel ist für eine Kanzlerin nach gut zwei Regierungsjahren noch immer ungewöhnlich beliebt. Sie wirkt besonnen, versteht es, geduldig abzuwarten, und neutralisiert ihre innerparteilichen Gegner ohne viel Schlachtgetöse. Manche prophezeien schon, dass sie so lange wie Helmut Kohl regieren wird.

Allerdings hat Merkel bis jetzt vor allem unverschämtes Glück gehabt. Der wirtschaftliche Aufschwung setzte ungefähr ein, als sie Kanzlerin wurde. Die Union hat seit 2005 keine Wahlniederlage eingefahren. Es gab auch keine ernste außenpolitische Krise zu meistern. Kein neuer Krieg brach aus - unter Rot-Grün waren es, zu Erinnerung, drei. Kurz: Angela Merkel ist eine Sonnenscheinkanzlerin.

Doch nun hat Merkel offenbar einen Fehler gemacht. Sie hat beim Mindestlohn getan, was bisher so gut geklappt hat: das Naheliegende. Also kein genereller Mindestlohn, weil das die Wirtschaftsliberalen in der Union in Rage gebracht hätte. Dafür aber Mindestlöhne in bestimmten Branchen, weil die SPD sonst noch unangenehmer geworden wäre.

Diese Entscheidung, in der Mitte des Weges zu bleiben, war taktisch falsch. Merkel wird das Thema jetzt nicht mehr los - und die SPD wird ihr auf den Fersen bleiben. Warum soll es denn für Postboten Mindestlöhne geben, nicht aber für Zeitarbeiter? Die SPD hat mit dem Mindestlohn ein Feld, auf dem sie endlich zeigen kann, dass sie etwas für ihre Klientel tut. Das gilt umso mehr in Zeiten, in denen mehr als drei Viertel der Bürger meinen, dass der Aufschwung bei ihnen nicht ankommt.

Vor ein paar Monaten hätte sich Merkel für einen niedrigen generellen Mindestlohn unter 5 Euro entscheiden können. Das hätte ihr Ärger eingetragen - mit den Unionsrechten und der SPD. Aber sie hätte das Thema damit vielleicht vom Tisch bekommen.

Jetzt aber wird die Merkel-Union bei jeder Branche aufs Neue erklären müssen, warum ein Mindestlohn eigentlich falsch ist, nur um am Ende dann doch zähneknirschend zuzustimmen. Das ist keine souveräne Haltung. Und es bringt etwas Neues: Nun wird man sehen, wie viel Glanz von der Sonnenscheinkanzlerin bleibt, wenn sie ins Schleudern gerät.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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