Kommentar Nordkorea: Gefährlich, aber nicht irre

Kim Jong Il ist nicht der "Irre mit der Bombe". Seine Kriegsdrohungen sollen die USA zu direkten Gesprächen zwingen.

Jetzt droht Nordkorea auch noch mit Krieg. Südkorea will sich an der Durchsuchung von nordkoreanischen Schiffen mit Atom- und Raketenfracht beteiligen. Pjöngjang begreift diesen Schritt als Kriegserklärung. Zudem fühlt sich Nordkorea nicht mehr an das Waffenstillstandsabkommen des Koreakrieges gebunden. Für ungeübte Ohren klingt das dramatisch gefährlich, doch die martialische Rhetorik gehört zur nordkoreanischen Propaganda wie das Amen in die Kirche. Keine Gesellschaft ist so militarisiert wie Nordkorea. Trotzdem war ein Atomkrieg zu Zeiten des Kalten Krieges viel wahrscheinlicher als jetzt auf der koreanischen Halbinsel.

Die jüngsten Kriegsdrohungen aus Pjöngjang gehören zum eingeübten Erpressungsritual: Das Trommelfeuer aus Atomtest, Raketenschüssen und Kriegsgeschrei soll die USA zu direkten Gesprächen zwingen. Kim Jong Il ist nicht der "Irre mit der Bombe". Seine Botschaft ist ganz rational: Wir sind gefährlich - also verhandelt mit uns!

Trotzdem kann der Konflikt aus dem Ruder laufen. Just darin besteht die eigentliche Gefahr. Der gesundheitlich angeschlagene Diktator Kim steht unter Zeitdruck, seine Nachfolge zu sichern. Dabei sitzt ihm das Militär im Nacken. Zwar scheint die von Nordkorea betriebene Eskalation noch kontrollierbar zu sein, nicht zuletzt weil seine Atombomben und Raketen bisher wenig kriegstauglich sind. Gleichzeitig aber stehen sich am 38. Breitengrad über eine Million Soldaten gegenüber. Seit 50 Jahren trainieren sie auf beiden Seiten für den Ernstfall. Schaukelt sich der Konflikt weiter hoch, dann wäre ein neuer Koreakrieg durchaus möglich. Südkoreas Hauptstadt Seoul mit ihren 20 Millionen Einwohnern würde darin untergehen. Und selbst wenn es nicht so weit kommt: Ein bewaffneter Konflikt würde die Weltwirtschaft in jedem Fall schwer treffen: Nordkorea sitzt zwischen China, Südkorea, Japan und Taiwan - das sind wesentliche Industriezonen dieser Welt. Wirtschaftlich ist Ostasien eng verbunden. Aber politisch ist man sich so fremd wie Europas Nationen vor dem Ersten Weltkrieg. Der Region droht daher ein atomares Wettrüsten. Das sollten genug gute Gründe für US-Präsident Obama sein, Kim bald zu beruhigen. Sein bester Partner dafür ist China. Denn Peking will die einzige Atommacht in Ostasien bleiben und Nordkorea stabilisieren. Hillary kann er dann später hinschicken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Volontariat beim NDR. War Hörfunk-Korrespondent in Berlin während der deutschen Einheit. Danach fünf Jahre als Südasien-Korrespondent in Neu-Delhi. Berichtet seit 2001 aus Tokio über Japan und beide Koreas.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.