Kommentar Vorurteile in Europa: Kontinent der Angst

Die Angst vor dem Feind früherer Jahrhunderte, dem Islam: Europa ist aufgefordert, die Furcht vor Muslimen so ernsthaft zu bekämpfen wie den Antisemitismus.

Die Studie zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in Europa ist ein Meilenstein der internationalen Vorurteilsforschung. Das aber ist schon die einzige gute Nachricht, die sich mit dieser Untersuchung verbindet. Der Rest wäre Schweigen - wenn das nicht die völlig falsche Reaktion wäre. Denn die Ergebnisse der Studie sind für den Alten Kontinent so traurig wie aufrüttelnd.

Europa, dieses faszinierende Konglomerat ganz unterschiedlicher Kulturen, ist nicht per se tolerant, im Gegenteil. Der Kontinent scheint sich vielmehr zu vereinen in Angst: Angst vor dem Fremden und dem Neuem. Und Angst vor dem Feind früherer Jahrhunderte, dem Islam.

Bei keinem anderen Vorurteilskomplex sind die Zahlen der einzelnen Staaten so einheitlich wie bei der Furcht vor den Muslimen. Und bei fast keinem anderen auch so hoch. Europa ist aufgefordert, dieses Vorurteil so ernsthaft zu bekämpfen wie den Antisemitismus - bei dem die Zahlen meist niedriger, aber auch alarmierend sind: auf dass die fortschreitende Einigung des Okzident nicht im Kontrast zum Orient entstehe.

Zugleich zeigt die Studie: Je älter und stärker die demokratische Tradition eines Staates ist, desto geringer sind im Schnitt die Vorurteile in der Bevölkerung - die Niederlande und Großbritannien sind Beispiele dafür. Allerdings zeigen beide Staaten auch, dass besondere nationale Diskurse bei manchen Fragen, etwa in Sachen Zuwanderung oder gemischte Wohngebiete, zu hohen Ausschlägen führen können.

Das belegt: Demokratie ist zwar ein gutes Mittel gegen die Angst vor dem Fremden, aber nie eine Gewähr gegen Ressentiments. Ihre Abwehrkraft gegen Vorurteile muss von jeder Generation und bei jeder nationalen Debatte neu erprobt und gestählt werden. Keine Gesellschaft kann sich auf einem hohen Maß von Toleranz ausruhen.

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