Kommentar Gesundheitsfonds: Kopfpauschale durch die Hintertür

Der zentrale Kassenbeitrag wird nicht zu mehr Gerechtigkeit führen. Im Gegenteil: Der Fonds ist nutzlos, teuer und womöglich gar fatal.

Ulla Schmidt beherrscht die Kunst der Autosuggestion. Während Opposition, Krankenkassen und selbst die Experten der Regierung den Gesundheitsfonds für misslungen halten, lobt die Ministerin ihn und seinen wichtigsten Bestandteil: den einheitlichen Beitragssatz. Nun ist es offiziell, dass er bei mindestens 15,5 Prozent liegen wird. Neun von zehn Kassenmitgliedern werden ab Januar mehr zahlen müssen. Jetzt wird offenkundig, was bereits absehbar war: Der Fonds ist nutzlos, teuer und womöglich gar fatal.

Nutzlos deshalb, weil er nicht zu einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Bürger beiträgt. Selbst seine Schöpferin, die schwarz-rote Koalition, gibt zu: Der Fonds bildet nur einen Sockel. Auf ihn kann eine spätere Koalition eine sogenannte Bürgerversicherung (SPD, Grüne) oder eine Kopfpauschale (CDU/CSU) stellen. Bis dahin kostet er nur Zeit und Geld. Und falls die schwarz-rote Koalition 2009 in die Verlängerung geht, wird dieser Stillstand andauern.

Teuer ist der Fonds unter anderem deshalb, weil Ulla Schmidt zu seiner Durchsetzung eilig viele Interessengruppen mit Milliardensummen ruhiggestellt hat. Die Ärzte bekommen mehr Geld, ohne dass sie mehr leisten müssen. Hauptsache, sie zetteln keine Protestaktionen in ihren Wartezimmern an. Die Kliniken werden bezuschusst, ohne die Länder dabei in die Pflicht zu nehmen.

Fatal ist die Festlegung des Beitragssatzes durch den Bund. Warum um Himmels willen soll es den Wettbewerb zwischen den Kassen anfachen, wenn alle denselben Beitragssatz haben? Ebenjener Beitragssatz war bislang ein effizientes Mittel der Kassen, um einander Mitglieder abzujagen und gut zu haushalten. Und was ist mit dem Versprechen der Ministerin, künftig komme es noch mehr darauf an, welche Dienstleistungen eine Kasse biete? Weil der künftige Beitragssatz mit 15,5 Prozent sehr knapp gehalten ist, werden Kassen bald alles vermeintlich Überflüssige kürzen müssen. Dem werden auch Präventions- und Aufklärungsprogramme zum Opfer fallen. Schon bald könnten Kassen gezwungen sein, Zusatzbeiträge von ihren Versicherten zu verlangen. Das wäre ein Sieg der Kopfpauschale durch die Hintertür.

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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