Kommentar Piraterie-Revival: Krisenmeer ohne Romantik

Die Opfer der Piraten-Erpresser sind selten ehrbare Kaufleute. Sie fahren häufig unter Billigflaggen, zahlen Hungerlöhne und missachten Umweltbestimmungen.

Alle lieben die Totenkopffahne. Dafür sorgt die langdauernde mediale Piratenverehrung vom strahlenden Helden Errol Flynn bis zum melancholischen Ironiker Johnny Depp. Allerdings wird die echte Piraterie vor den Küsten Somalias nicht hauptsächlich von verzweifelten Fischern ausgeübt, die von den Riesenschiffen der Industriestaaten um ihren Fang gebracht wurden. Sie ist ein professionell betriebenes Geschäft, unternommen von Gangstern und finanziert von seriösen Geschäftsleuten.

Die Opfer der Piraten-Erpresser sind jedoch selten ehrbare Kaufleute. Sie fahren häufig unter Billigflaggen, zahlen, wenn überhaupt, Hungerlöhne, missachten Umweltbestimmungen und/oder transportieren Kriegsgeräte in Krisengebiete. Sollte nicht, wer Schutz begehrt, den vorgegebenen Mindeststandards folgen? Davon ist keine Rede. Erst recht hört man nichts über die Verantwortung der Großmächte für den Staatszerfall Somalias, Voraussetzung der jetzigen Piraterie.

Völkerrechtlich sind seit Sommer dieses Jahres kraft einer Resolution des UNO-Sicherheitsrates Kriegsschiffe ermächtigt, die Piraten anzugreifen und auch bis in die Hoheitsgewässer Somalias zu verfolgen - die Zustimmung der (machtlosen) somalischen Übergangsregierung liegt vor. Innerstaatlich steht in Deutschland der Entsendung von Kriegsschiffen allerdings der Umstand entgegen, daß die Verfolgung von Verbrechen ausschliesslich Sache der Polizei ist. Piraterie ist ein Verbrechen und es kann nach dem Weltrechtsprinzip auch außerhalb Deutschlands verfolgt werden. Keinesfalls dürfen der Bundesmarine polizeiliche Befugnisse übertragen werden. Damit würde die Trennung beider Bereiche weiter aufgeweicht.

Das Verteidigungsministerium sucht dieser Problematik dadurch zu entrinnen, dass die Marine Bundespolizei an Bord nimmt, ihr die festgesetzten Piraten zwecks Festnahme übergibt und die für Verbrechen auf See zuständige Hamburger Staatsanwaltschaft einschaltet. Angesichts dieser fragwürdigen Hilfskonstruktion muss die Frage erlaubt sein, warum niemand die einfachste Lösung ins Auge fasst - die Fahrt im geschützten Konvoi übers Krisenmeer.

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